„Ohne uns läuft keine Operation“

Das Gespräch führte Lars Mörking

Was macht die CFM?

Die CFM Facility Management GmbH ist eine Tochter der Charité. Diese hält 51 Prozent der Anteile und ist für die strategische Ausrichtung verantwortlich. 49 Prozent halten Vamed Deutschland sowie die Global Player Dussmann Service und Hellmann Worldwide Logistics.

Der Umsatz der CFM lag 2014 bei 136,89 Millionen Euro, der Jahresüberschuss bei 424000 Euro.

Ein wesentlicher Teil der anfallenden Aufgaben in der Charite wird inzwischen von der CFM erledigt.

Zu diesen Aufgaben gehören:

• Die Reinigung der gesamten Klinik vom Patientenzimmer bis hin zur Desinfektion und Bettenaufbereitung, inkl. der Sterilisation von OP-Instrumenten, dem Packen der Siebe und Transport zu den OPs.

• Die Versorgung von Patienten und Beschäftigten

• Sicherheitsdienst sowie Post und Telefondienste

• Gärtnerarbeiten und Straßenreinigung innerhalb des Geländes

• Der gesamte Technikbereich, angefangen mit der Versorgung von Wärme und Kälte, Lüftung, Sanitär und Kommunikationstechnik.

• Die gesamte Logistik, Ver- und Entsorgung aller Standorte. Hier sind die KollegeInnen verantwortlich für die Versorgung der drei großen bettenführenden Standorte mit notwendigen Verbrauchsmaterialien, von dem OP Material bis hin zu lebensrettenden Blutkonserven der Blutbanken.

• Der Krankentransport, der Inter und Extern agiert

• Die Archivierung und Pflege der Patientenakten ist ebenfalls in den Händen der CFM

• Neuerdings auch die Patientenaufnahme und teilweise die Dokumentation von Behandlungsdaten zur Abrechnung.

UZ: Dienstleistungen sind 2006 von der Charité in die Charité CFM Facility Management GmbH – kurz CFM – ausgegliedert worden. In welchen Bereichen sind die Beschäftigten der CFM eingesetzt? Wie unterscheiden sich die Bedingungen der KollegInnen von denen an der Charité?

Kati Ziemer, Betriebsrätin bei der CFM

Kati Ziemer, Betriebsrätin bei der CFM

Kati Ziemer: In die CFM sind fast alle Dienstleistungen ausgelagert die nicht unmittelbar mit Patienten zu tun haben. So ist es in Ausschreibungsunterlagen des Objektes CFM mit einem Leistungsumfang von 1,5 Mio. Euro zu lesen. Immer mehr Aufgaben und Bereiche werden von der Mutter Charité in die Tochter geschoben (siehe Infokasten, Anm. d. Red.). Zudem wird immer weiter ausgegründet, nach dem „Erfolgsmodell“ CFM folgten weitere Ausgründungen und Kooperationen, in die Dienstleistungen und Personal geschoben wurden und werden.

Die CFM hat ca. 2800 Beschäftigte – Tendenz steigend. Ungefähr 520 – es waren mal ca. 900 – sind per „Gestellung“ von der Charité in die CFM ausgeliehen, für sie gilt der Tarifvertrag der Charité. In der CFM gibt es keinen Tarifvertrag, hier werden lediglich die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge angewandt, das sind mittlerweile sieben.

Es ist nicht einfach, die unterschiedlichen Arbeitszeiten, Löhne und Gehälter oder Urlaubsansprüche aus den verschiedenen Bereichen, die sowieso schon sehr unterschiedlich sind, im Auge zu behalten. Es gehört zum Alltag der KollegInnen, mit diesen Unterschieden klarkommen zu müssen.

Es gehört mittlerweile zur „Normalität“, dass es Gehaltsunterschiede von 400 bis 1000 Euro gibt. Das wird nicht immer toleriert, führt zu Diskussionen und Neiddebatten. Auch die Arbeitszeiten sind völlig unterschiedlich und reichen von Minijobs über Teilzeit von 20 bis 35 Stunden die Woche bis hin zu 42 Stunden die Woche, auch Urlaubsansprüche gehen von 24 Tagen bis hin zu 30 (+5). Das zieht sich durch alle Bereiche und ist für alle deutlich sichtbar.

UZ: Ihr habt in den vergangenen Jahren mehr und mehr KollegInnen in ver.di organisiert. Sprecht ihr die KollegInnen vor allem mit dem Thema der ungleichen Behandlung auf eine Mitgliedschaft an?

Kati Ziemer: In der Problematik der unterschiedlichen Bedingungen liegt tatsächlich enormer sozialer Sprengstoff.

Hier wird allen immer wieder vor Augen geführt, welches Spiel getrieben wird. Die Unterschiede sind politisch gewollt. Ein Politiker sagte uns einmal in einem Gespräch zu diesem Thema: „Niedriglöhne sind in der Ausschreibung eingepreist“. Die ver.di-Betriebsgruppe ist seit Bestehen der CFM – es sind jetzt zehn Jahre – dabei, die KollegInnen für dieses Thema zu sensibilisieren.

Wenn du fragst, wie wir die Kolleginnen und Kollegen ansprechen, dann kann ich nur sagen, das ergibt sich in ganz normalen Unterhaltungen, es sind die Themen des Alltags.

Schon wenn man nach scheinbar belanglosen Dingen fragt, sich nach dem Befinden erkundigt, nach dem Urlaub oder dem Dienstplan… das reicht meist aus, um ins Gespräch zu kommen. Es ist wichtig, den KollegInnen zuzuhören und die Probleme ernst zu nehmen. Meist kommt das Gespräch von selbst auf das Thema Tarifvertrag und Gewerkschaft. Ein Gespräch allein reicht aber nicht aus, man verabredet sich für später und lädt zur Betriebsgruppe ein.

UZ: Warum ist euch der gewerkschaftliche Organisationsgrad so wichtig? In euren Publikationen wird der ja oft angesprochen, so mein Eindruck.

Kati Ziemer: Wie gut der Tarifvertrag ist liegt in unserer Mächtigkeit, an unserem Organisationsgrad, das versuchen wir zu vermitteln. Ausschlaggebend für den Erfolg sind die KollegInnen und was sie bereit sind dafür zu tun. Aber die KollegInnen wissen meist selbst, was sie tun müssten, um etwas verändern zu können. Die Situation bei der CFM und die Arbeitsbedingungen sind ja ein starkes Argument für einen Beitritt zur Gewerkschaft.

Überzeugen ist aber dennoch nicht so einfach, wir hören auch immer wieder Gründe, warum es gerade nicht geht, warum der Eintritt in ver.di nicht möglich ist. Da geht es um Geld, da ist Unwissen dabei, manche meinen „Brauche ich nicht“ – das sind so die einfachen Argumente. Resignation und Desinteresse oder gar Angst vor Repressalien oder Benachteiligung – das alles können wir nicht so einfach wegwischen und nehmen wir ernst. Aber gerade dann tut es gut, eben nicht allein zu sein und in der Betriebsgruppe Schutz und Gleichgesinnte zu finden. Nur gemeinsam sind wir in der Lage den Tarifvertrag für die CFM zu erringen. Klar ist, das bekommen wir nicht geschenkt.

UZ: Ihr macht öffentlich, wie der Stand der Mitgliederwerbung ist und gebt an, dass ihr erst ab 30 Prozent Organisationsgrad handlungsfähig seid. Was heißt das konkret und ist es nicht problematisch, wenn ihr gegenüber der CFM-Leitung offen zugebt, nicht genug ver.di-Mitglieder zu haben, um in Tarifverhandlungen bessere Bedingungen durchzusetzen?

Kati Ziemer: Offenheit gehört zu den wichtigsten Elementen der bedingungsgebundenen Tarifarbeit. Wir gehen so offen und ehrlich mit unseren Mitgliederzahlen um, weil die KollegInnen genau das wissen müssen. Und auf die kommt es uns an.

Wir haben 2011 sehr lange gestreikt, ohne das Ziel zu erreichen, einen Tarifvertrag für die KollegInnen in der CFM abzuschließen. Damals waren wir nicht stark und mächtig genug. Den Fehler wollen wir nicht noch einmal machen. Mit unseren Veröffentlichungen zu den Mitgliederzahlen wollen wir die KollegInnen erreichen, die noch immer zweifeln und unsicher sind.

Auch der Arbeitgeber soll genau das wissen, er hat ja schon auf unsere wachsenden Mitgliederzahlen mit Lohnerhöhungen reagiert. Aber auch 9,50 Euro bedeuten keine tarifliche Regelung und gleicht den Lohnunterschied zu den Charité-Beschäftigten nicht aus.

UZ: Was geschieht, wenn der Organisationsgrad von 30 Prozent erreicht ist?

Kati Ziemer: Der Plan ist, in allen Bereichen gut aufgestellt zu sein. Sind wir stark und bereit, in die Auseinandersetzung zu gehen, dann fordern wir die CFM zu Gesprächen auf.

Es gibt mitgliederstarke Bereiche in der Logistik, wie den Krankentransport und den Sicherheitsdienst. Wir haben aber auch Bereiche, da kriegen wir keinen Fuß in die Tür und konnten bisher kaum Mitglieder gewinnen.

Wenn wir unser erstes Ziel, die 30 Prozent Mitglieder in der CFM zu gewinnen, nicht erreichen, dann müssen wir auch uns gegenüber ehrlich sein: Wir werden dann eher keinen guten Tarifvertrag abschließen.

Aber lieber keinen Tarifvertrag als einen schlechten! Mit dieser Möglichkeit müssen wir auch umgehen können.

UZ: In welchem Zusammenhang steht euer Kampf mit dem Kampf der KollegInnen an der Charité? Wie bewertet ihr den Kampf und die Verhandlungen für eine betriebliche Regelung für mehr Personal?

Kati Ziemer: Die KollegInnen schauen immer sehr gespannt und neugierig auf die Charité. Leider ist es uns 2011 nicht gelungen, die beiden Streiks zu vereinen. Die unmittelbare Zusammengehörigkeit wird in solchen Situationen deutlich: Die KollegInnen in der CFM stehen genauso unter Druck und sind dauerhafter Überlastung ausgesetzt. Auch in der CFM ist Personalmangel der Normalzustand. Eine Personalbemessung gerade in der Reinigung und die Festlegung der zumutbaren Reinigungsfläche, könnte für die KollegInnen echte Entlastung bringen.

Die KollegInnen der CFM blicken gespannt auf die zu erwartenden Ergebnisse der Tarifverhandlungen zur Mindestbesetzung und zum Gesundheitsschutz und die Umsetzung. Die Hoffnung schwingt auch hier immer mit und der Wunsch etwas zu verändern.

Gerade für junge Menschen, die ihre Zukunft planen wollen, sind schlechte Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung ein Grund zu gehen. Die bleiben nicht lange, was den Personalmangel verschärft. Das trifft für die Charité und jeden anderen Betrieb zu. Statt dieses Problem anzugehen, wird in der CFM noch akribisch aussortiert, und wer unbequem ist, Fragen stellt oder gewerkschaftlich organisiert ist, hat wenige Chancen über die zwei Jahre der Befristung zu kommen.

Die Abhängigkeit der Charité von der Servicetochter CFM ist existenziell und ohne die CFM ist der Krankenhausbetrieb nicht möglich. Allein die Versorgung mit OP-Verbrauchsmaterialien reicht genau ein bis zwei Tage … ohne uns läuft keine OP! Die Essensversorgung der Patienten muss täglich erfolgen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Wenn sich die KollegInnen dieser Macht kollektiv bewusst werden, dann haben wir gewonnen. Mit dieser Erkenntnis können wir alles erreichen.

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"„Ohne uns läuft keine Operation“", UZ vom 18. März 2016



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