Fußballreise um die Welt: Libyen

Ohne Starspieler

Von Hannes Schinder

Im letzten Teil der Reise ging es um Südafrika. Von dort aus geht die Reise weiter in das 7 450 km entfernte Libyen, ein gespaltenes Land. Der „Arabische Frühling“ endete im Krieg, bereits im Oktober desselben Jahres erfolgte mit ausländischer Schützenhilfe der Sturz Gaddafis. Ein stabiles politisches System entstand nicht, der Krieg um die Macht im Land ging weiter. Inzwischen gilt dort ein Friedensabkommen, das den Neuaufbau des Staates bis 2018 vorsieht.

Auch in Libyen herrscht Fußballbegeisterung, auch wenn das Land kaum Erfolge in seiner Geschichte vorweisen kann. Das ehemalige Staatsoberhaupt Muammar al Gaddafi nutzte Fußballspiele gerne für Propagandazwecke. Reportern wurde verboten, Spielernamen in ihrer Berichterstattung zu nennen, weil Gaddafi Ansicht gewesen sein soll, dass Sportler nicht verehrt werden sollten.

Gaddafi holte u. a. ein Spiel des italienischen Supercups nach Tripolis, das im Stadion des 11. Juni stattfand, benannt nach dem 11. Juni 1967, an dem die USA ihre Militärbasen in Libyen aufgegeben mussten. Die Partie wurde von Juventus Turin gewonnen, ein Verein, der zu dieser Zeit zu 7,5 Prozent Gaddafis Familie gehörte. Gaddafis Sohn Al Saadi durfte mit finanzieller Hilfe aus der Familienschatulle sogar kurzzeitig bei AC Perugia spielen. Al Saadi war über Jahre Spieler, Trainer und Kapitän der libyschen Nationalmannschaft. Dass er eine so bedeutende Rolle spielte – es hätte kaum jemanden gewundert, wenn er auch noch Stürmer und gleichzeitig Torwart gewesen wäre – lag wohl nicht zuletzt an der Stellung seines Vaters.

Doch in den heimischen Fußball investierte Muammar al Gaddafi vergleichsweise wenig Geld. Und wenn doch, dann hauptsächlich in der Hauptstadt Tripolis. Die zwei Vereine Al Ittihad und Al Ahli spielen beide im Stadion des 11. Juni, das 67 000 Zuschauer fasst, und haben zusammen 28 von insgesamt 44 ausgespielten Meisterschaften gewonnen. Der Osten des Landes spielte bei Kampf um den Titel fast keine Rolle, ein Ausdruck der Spaltung im Land.

Die Saison 2010/11 wurde kriegsbedingt abgebrochen, zuvor hatte Al Ittihad sechsmal in Folge die Meisterschaft gewonnen. Erst zur Saison 2013/14 wurde die Libyan Premier League wieder ausgetragen, diesmal holte Al Ahli den Titel. Danach wurde die Meisterschaft wegen des fortgesetzten Bürgerkriegs ausgesetzt, um in der darauffolgenden Saison letztmals ausgetragen zu werden. 2016 gewann ebenfalls Al Ahli den Titel.

In Libyen hat Fußball sicher keine Priorität, wenngleich während des Krieges 2011 eine der schönsten Geschichten des libyschen Fußballs geschrieben wurde: Mitten im Bürgerkrieg, als Spieler an der Front kämpften, Spiele in umliegenden Ländern ausgetragen werden mussten, die Nationalmannschaft sich in Rebellen und Gaddafi-Anhänger spaltete, errang Libyen zum dritten Mal in seiner Geschichte die Qualifikation zur Afrikameisterschaft. Trotz der Ungewissheit um Freunde und Familie in der Heimat wuchsen die Spieler über sich hinaus. Noch während der Qualifikationsspiele wurde der Topstar der Mannschaft, Tariq Ibrahim al-Tayib, aus dem Kader gestrichen, nachdem er einem Reporter gegenüber geäußert hatte, dass das ganze Team für Gaddafi gespielt und gewonnen hätte. Danach wurde er von Nationaltrainer Marco Paqueta nicht mehr berücksichtigt.

So spielte die Nationalmannschaft bei der Afrikameisterschaft mit, schied jedoch, wie auch 2006, in der Vorrunde aus. Den größten Erfolg hatte man 1982 bei der ersten Teilnahme mit dem zweiten Platz erreicht. Die nächste Teilnahme war ursprünglich für das Jahr 2013 vorgesehen, denn in diesem Jahr sollte Libyen die Rolle des Gastgebers übernehmen und wäre somit direkt qualifiziert gewesen. Wegen anhaltender Unruhen tauschte man das Gastgeberrecht mit Südafrika, wodurch Libyen das Gastgeberrecht für 2017 erhielt. Doch 2014 verzichtete das Land komplett auf das Austragungsrecht, da nicht absehbar war, wann das Land wieder zur Ruhe kommt.

Derzeit versucht sich der Fußballverband neu zu organisieren, neue Strukturen aufzubauen und in die Infrastruktur zu investieren. Seit 2012 bietet der DFB dabei seine Hilfe an. Trotz aller Differenzen im Land bietet der Fußball eine Chance auf Einigung, denn gemeinsame Erfolgserlebnisse verbinden Spieler und Fans. Wie die überraschende Qualifikation zur Afrikameisterschaft 2012. Die Begeisterung für den Fußball ist jedenfalls ungebrochen, daran konnte auch Muammar al Gaddafi mit seiner Auffassung von Fußball ohne Stars und als Betätigungsfeld seiner Familie nichts ändern.

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"Ohne Starspieler", UZ vom 18. August 2017



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