Deutsche Wirtschaftskonzerne setzen auf Massenentlassungen

Ohne Plan und Perspektive

Es bleibt dabei: Massenentlassungen und Werkschließungen sind die Antwort des VW-Managements auf die Krise. Am vergangenen Freitag lehnte die Konzernleitung den von IG Metall und Betriebsrat vorgeschlagenen „Zukunftsplan“ für Deutschlands größten Autobauer endgültig ab. Der Plan sah vor, mögliche Tariferhöhung mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro in einen Zukunftsfonds einzubringen. Im Gegenzug sollte VW auf Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichten.

Ein Kompromiss, der sich „hart an der Grenze des Zumutbaren für die Beschäftigten“ bewege, so die IG Metall. Dennoch halten die VW-Bosse stur an dem angekündigten Kahlschlag fest. Dies gilt nicht nur für Volkswagen. Auch Ford will bis Ende 2027 in Deutschland 2.900 Stellen streichen, die meisten davon im Kölner Werk. Insgesamt sollen in Europa bis Ende 2027 etwa 4.000 Jobs wegfallen.

Die Entwicklung in der Autobranche hat Folgen für die Zulieferindustrie. So will Schaeffler insgesamt 4.700 Arbeitsplätze abbauen, davon 2.800 in Deutschland. Zudem soll je ein Werk in Österreich und in Britannien geschlossen werden.

Auch der Autozulieferer Continental baut weltweit tausende Jobs ab. Nach Angaben der Konzernleitung hat man seit Mitte 2023 schon 5.000 Stellen in Entwicklung, Produktion und Verwaltung gestrichen. Bis 2028 sollen es in dem Unternehmen insgesamt 7.150 Stellen weniger sein. Mehr als ein Drittel der wegfallenden Arbeitsplätze befinden sich in Deutschland.

Bei Bosch stehen bis zu 5.550 Stellen zur Disposition, mehr als zwei Drittel davon – insgesamt 3.800 Jobs – sollen in Deutschland wegfallen. Von den aktuellen Plänen am stärksten betroffen ist der Geschäftsbereich, der unter anderem für Assistenzsysteme und automatisiertes Fahren zuständig ist. Zur Senkung der Kosten plant der Konzern auch eine kürzere Wochenarbeitszeit für einen Teil der Beschäftigten. Insgesamt sind rund 10.000 Mitarbeiter betroffen, unter anderem an neun deutschen Standorten. Mit der Verkürzung der Arbeitszeit verringert sich entsprechend auch das Gehalt.

Auch der Autozulieferer ZF will in den kommenden Jahren bis zu 14.000 der 54.000 Stellen in Deutschland streichen. Allein in Saarbrücken sind bis Ende kommenden Jahres 1.800 Jobs betroffen. Wenn die Auftragslage weiterhin so schwierig bleibt, könnten nach Aussage der Konzernleitung bis Ende des Jahres 2028 sogar noch mehr Jobs – insgesamt bis zu 4.500 Arbeitsplätze – wegfallen. Auch Werkschließungen sind nicht ausgeschlossen.

Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel setzt ebenfalls den Rotstift an. Die Zahl der Arbeitsplätze soll innerhalb von sechs Jahren um 11.000 schrumpfen, wie das Unternehmen jüngst mitteilte. Von derzeit 27.000 Stellen würden dann noch 16.000 übrigbleiben. 5.000 Arbeitsplätze sollen bis Ende 2030 in Produktion und Verwaltung wegfallen, weitere 6.000 sollen durch Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder Geschäftsverkäufe ausgelagert werden. Der Standort in Kreuztal in Nordrhein-Westfalen soll ganz geschlossen werden. Mit dem Vorhaben verbunden ist auch die Reduzierung der Stahlkapazitäten von derzeit 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf nur noch 8,7 bis 9,0 Tonnen.

Auch in der Chemieindustrie steht Arbeitsplatzabbau auf der Agenda der Bosse. Bereits 2022 hatte die BASF-Führung ein Sparprogramm angekündigt. Ein weiteres wurde Anfang dieses Jahres angekündigt. Nach Informationen des „Handelsblatts“ sollen bei dem Chemiekonzern bis Ende 2024 weltweit knapp 3.300 Stellen gestrichen werden, gut 2.500 davon in Ludwigshafen.

In der Horrorbilanz tauchen hunderte von kleinen und mittleren Unternehmen nicht einmal auf, die als Zulieferer oder verlängerte Werkbänke der Großkonzerne dienen. Auch sie bauen massiv Stellen ab. Angesichts dieser sich abzeichnenden Deindustrialisierung droht auch hierzulande ein Akkumulationsmodell, wie man es seit den 1980er Jahren aus Britannien kennt: Zerschlagung der industriellen Kerne und Fokussierung auf die Finanzmärkte.

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"Ohne Plan und Perspektive", UZ vom 6. Dezember 2024



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