Am 3. Dezember beginnt knapp dreieinhalb Jahre nach dem G20-Gipfel ein weiteres Verfahren gegen fünf linke Aktivistinnen und Aktivisten. Das Verfahren bildet den Auftakt im sogenannten Rondenbarg-Verfahren, in dem es über 80 Beschuldigte gibt. Rondenbarg bezeichnet die Straße, auf der am Morgen des 7. Juli 2017 eine Demonstration gegen den Gipfel stattfand. Die Demonstration wurde durch den brutalen Einsatz einer Polizeieinheit ohne jegliche Vorwarnung gewaltsam gestoppt, es gab mehrere Schwerverletzte mit offenen Brüchen. Eine NDR-Dokumentation belegt kurze Zeit später, was sonst von den Behörden gerne als „linke Propaganda“ abgetan worden wäre. Mit infernalischem Gebrüll rennen schwer gepanzerte und bewaffnete Beamtinnen und Beamte auf die Demonstration zu, nachdem lediglich ein oder zwei Rauchtöpfe oder Feuerwerkskörper gezündet worden waren.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigt nun rund 80 Aktivistinnen und Aktivisten schwerer Straftaten im Rahmen des Versammlungsgesetzes. Wie auch schon bei vorhergehenden Verfahren, wie dem Elbchaussee-Prozess, stellt sich die Frage nach der juristischen Grundlage. Denn vermeintliche Straftaten können den Angeklagten nicht individuell zugeordnet werden. Die politische Justiz versucht zum wiederholten Male, die bloße Teilnahme an einer Demonstration, in deren Verlauf es zu Straftaten kommt, zu kriminalisieren. Sollte sich diese rechtliche Bewertung durchsetzen, könnten sämtliche Demonstrantinnen und Demonstranten bei nahezu jeder größeren Protestaktion mit einer Anklage rechnen. Und das hätte wiederum weitreichende Folgen für das Demonstrationsrecht insgesamt.
Im ersten Durchgang stehen sicher nicht zufällig die fünf jüngsten Angeklagten in diesem Massenprozess vor Gericht. Denn das erlaubt es dem Gericht, die Öffentlichkeit und damit auch kritische Stimmen weitgehend an der Berichterstattung zu hindern.
Für sämtliche Angeklagte wird dieser Prozess in den nächsten Monaten eine enorme persönliche und auch finanzielle Belastung sein. Der Prozess bedeutet, wöchentlich quer durch die Republik nach Hamburg zu fahren, um an den Gerichtsterminen teilzunehmen. Es ist nicht schwer sich vorzustellen, was das für eine Ausbildung, Studium, Arbeit oder das Privatleben für Auswirkungen haben kann.
Gegen den Versuch der umfassenden Kriminalisierung regt sich mit Beginn des Rondenbarg-Prozesses bundesweiter Protest. Zahlreiche Organisationen und Gruppen eines breiten linken Spektrums riefen im Bündnis „Gemeinschaftlicher Widerstand“ am 28. November zu einem ersten dezentralen Aktionstag auf. In rund 18 Städten fanden Protestaktionen gegen die staatliche Repression statt. Dazu gehörten spontane Demonstrationen, Kundgebungen und Online-Vorträge. Für zwei Tage nach Prozessbeginn, am 5. Dezember, ruft das Bündnis zu einer bundesweiten Demonstration unter dem Motto „Gemeinschaftlicher Widerstand gegen ihre Klassenjustiz!“ auf, die um 16 Uhr am Hamburger Hauptbahnhof startet.