Verwirrung bei den Lebensmittelgutscheinen für Flüchtlinge

Ohne Flocken kein Müsli

Von Uwe Koopmann

Alain Caparros, ein Migrant mit Herkunft aus Algerien, und Mahdi Madjer (Name und Herkunft von der Redaktion geändert), der ebenfalls aus dem Maghreb kommt, weisen deutliche Klassenunterschiede auf. Alain wurde 2006 Vorstandsvorsitzender der REWE Group. Vor wenigen Wochen erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft. Mahdi ist Flüchtling und Asylbewerber. Er hat keine deutsche Staatsbürgerschaft. Sein Wunsch: Asyl und Arbeit.

DKP fordert Bargeld

für Flüchtlinge

im Düsseldorfer Osten.

Mahdis Containerdorf liegt 100 Meter vom REWE-Markt an der Blanckertzstraße 2 im Düsseldorfer Osten entfernt. Auch da kann Mahdi nicht arbeiten, denn er hat gar keine Arbeitserlaubnis. Also hat Mahdi auch kein Geld. Statt des Geldes hat er aber Lebensmittelgutscheine. Damit konnte er jedoch bei diesem REWE-Markt nichts werden, denn Frank Runkel, der Inhaber des REWE-Marktes, nahm die Gutscheine nicht an. Das wiederum traf nur für diesen Markt zu, denn in Runkels anderen Märkten in der Kreisstadt Mettmann akzeptierte er die Gutscheine.

Für Mahdi gab es eine Alternative, um sich diesen Vorgaben zu entziehen. Er hätte den REWE-Markt in der Benderstraße in Gerresheim aufsuchen können. Er müsste nur vier Stationen mit dem Bus und anschließend zwei Stationen mit der Straßenbahn fahren. Mit etwas Glück könnte ihm sogar Alain Caparros begegnen, denn der Chef der REWE Group wohnt hier gleich „um die Ecke“. – Er fährt allerdings nicht mit Bus und Straßenbahn nach Köln zur Arbeit.

Aus der DKP Düsseldorf wurde Alain Caparros aufgefordert, seine Einflussmöglichkeiten bei den REWE-Händlern und bei der Stadt Düsseldorf geltend zu machen, damit die Gutscheine akzeptiert werden. Die DKP besuchte auch den ins Gerede gekommenen Markt und erkundigte sich nach dem neuesten Stand.

Die unbekannten Beziehungen zwischen Alain und Mahdi sind kein Einzelfall. Sie sind auch nicht die Verursacher. Die Ursachen liegen bei den Politikern, die die Gutscheine durchgesetzt haben, um das Kaufverhalten der Flüchtlinge besser kontrollieren zu können. Bei der CSU heißt das „Rückkehr zum Sachleistungsprinzip“. Vorreiter sind Finanzminister Markus Söder (CSU) und Thomas Strobl, CDU-Vorsitzender in Baden-Württemberg.

Es gibt Vorgaben, wieviel Zahnpasta, Seife und Monatsbinden verbraucht werden dürfen. Der Staat regelt den „täglichen Verbrauch“ an „Taschengeld“. Einzelheiten legt das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) fest. Das Bundesverfassungsgericht hatte dazu am 17. 7. 2012 einen Rahmen gesetzt, nach dem ein menschenwürdiges Existenzminimum für alle Menschen in Deutschland gelten soll – auch für Asylbewerber. 2014 gab es eine Novellierung des Gesetzes. Das Prinzip „Wertgutscheine statt Bargeld“ wurde von der Berliner Regierungschefin nicht gecancelt. Selbst die Kaufleute fühlen sich überfordert, weil sie nicht wissen, wie sie abrechnen sollen.

In Düsseldorf gab es eine Geldauszahlungsstelle am Rathaus. Die wurde geschlossen. An einer Ersatzstelle wird aber auch kein Geld ausgegeben, es gab nur Schecks. Mit den Schecks können die Asylbewerber zur Stadtsparkasse gehen, um sie gegen Bargeld einzutauschen.

Die Verwirrung ist vielleicht noch etwas größer. Die DKP machte die Probe und fragte im nächsten REWE-Markt an der Heyestraße nach, ob dort die Lebensmittelgutscheine angenommen würden. Antwort: „Ja, aber nur von der Kirche!“ Diese Institution verwaltet auch die Sachspenden und hat damit einen Überblick über das „Publikum“.

Manchmal werden die Probleme der Flüchtlinge plötzlich sichtbar, wenn es am Ende bei der Reproduktion der Ware Arbeitskraft klemmt. Deutlicher werden sie, wenn die Ware Arbeitskraft gar nicht erst so ans Laufen kommt, wie es von interessierter Seite gewünscht wird: Bezahlung unter dem Mindestlohn ist der Wunsch aus dem Handel und bei vielen Bauunternehmern. So das Resümee des Ifo-Instituts.

Der DGB hält dagegen. Der Einstieg in die Aufweichung des Mindestlohns bedeute, die Lohnspirale nach unten zu drehen. DGB-Chef Reiner Hoffmann spricht von „Unverschämtheit“. DGB-Vorstand Stefan Körzell: „Diese Mindestlohnverhinderungs-Empfehlungen [des Sachverständigenrates, UK] spalten unsere Gesellschaft und untergraben die Willkommenskultur.“

Dabei „rechnen“ sich die Flüchtlinge für die deutsche Wirtschaft. Nach Analysen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Gegenüber der „Welt“ erklärte Institutspräsident Marcel Fratzscher, dass ein Flüchtling „nach fünf bis sieben Jahren mehr erwirtschaftet als er den Staat kostet.“ Weiter Fratzscher im MDR: „Flüchtlinge würden Einkommen schaffen, Erträge steigern, Produktivität erhöhen. Davon profitieren dann wieder die deutschen Kollegen.“ – Und noch mehr die Besitzer der Produktionsmittel.

Zurück zur Scheinwährung. Auch Deutschlandradio Kultur hat getestet: Lebensmittelgutscheine gegen Waren umtauschen – das geht in vielen Geschäften, Apotheken oder auf dem Weihnachtsmarkt gar nicht. In Düsseldorf wurde inzwischen bei der Organisation der Gutschein-Ausgabe nachgesteuert. Die AWO als „Verwalterin“ ist zufrieden. Und Herr Runkel ist wieder mit „im Boot“.

Die DKP hat auf ihrem 21. Parteitag die Resolution „Soziale und demokratische Rechte verteidigen“ verabschiedet: http://www.unsere-zeit.de/de/4747/21terParteitag/1286/Soziale-und-demokratische-Rechte-verteidigen.htm

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"Ohne Flocken kein Müsli", UZ vom 4. Dezember 2015



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