Nordkorea und die Drohung mit dem atomaren Selbstmord

Ohne die Bombe so gut wie tot

Von Klaus Wagener

Die psychologische Vorbereitung ist längst in vollem Gange. Kim Jong-un gilt in den Mainstreammedien als unberechenbarer Aggressor, als „der Irre mit der Bombe“.

Auf dieses sorgfältig gepinselte Negativbild kann die Trump-Regierung aufbauen, die sich nun offenbar entschlossen hat, das „Problem“ zu lösen. Nordkorea sei die „größte globale Herausforderung“, verkündete Donald Trump. Nun gebe es die Chance „den größten, größten Konflikt mit Nordkorea zu beenden“. Am 27. April informierte der Präsident den Senat, dass Nordkorea ein „dringendes nationales Sicherheitsproblem“ sei, das „oberste außenpolitische Priorität“ habe.

Das Pentagon, wie immer in solchen Fällen hilfreich zur Stelle, hat seine „Problemlöser“, „Carrier Strike Group One“ (CSG-1) mit dem Flugzeugträger „USS Carl Vinson“, Tomahawk-bewaffneten Zerstörern, strategischen Bombern und U-Booten demonstrativ vor die koreanische Halbinsel geschickt.

Dass dies keineswegs als leere Drohgebärde aufzufassen ist, macht neben Außenminister Rex Tillerson auch die US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley, klar. Auf die Frage des Fernsehsenders „NBC“, ob Washington zu militärischen Aktionen greifen werde, meinte sie: „Falls Sie erleben, dass er eine Militärbasis angreift, falls Sie eine Art Interkontinentalrakete sehen, dann werden wir natürlich genau das machen.“ Donald Trump scheint das Nordkorea-„Problem“ als Chance für das Überleben seiner Präsidentschaft zu begreifen.

Dabei wird wieder einmal klassisch über Bande gespielt. Und die heißt in diesem Fall VR China: „China ist in hohem Maße die ökonomische Lebensader Nordkoreas“, so der US-Präsident, „natürlich ist es nicht einfach, aber wenn sie das Nordkorea-Problem lösen wollen, dann werden sie es.“ Falls es dennoch zum Krieg kommt, liegt der Schwarze Peter praktischerweise in Peking.

Natürlich zeigt sich das Imperium bereit für Kooperation, besser Kumpanei, einen Preis zu zahlen. „Warum sollte ich China als Währungsmanipulator bezeichnen, wenn sie mit uns beim Nordkorea-Problem zusammenarbeiten?“ Auf der selben Linie dürfte auch Trumps Klagen über das Stahlpreisdumping Chinas liegen. Es ist ein offen gehandeltes ökonomisches Erpressungspotential, mit dem das politische Wohlverhalten der Volksrepublik erzwungen werden soll.

Diese ist durchaus willens den militärischen Konflikt an ihrer Nordostgrenze zu vermeiden. Laut der chinesischen Zeitung „Global Times“ steht die Volksrepublik vor einer doppelten Her­ausforderung: Zum einen die KDVR zur Aufgabe ihres Atom- und Raketenprogramms zu bewegen und andererseits die USA und Südkorea zur Beendigung des fortdauernden Großmanövers zu veranlassen: „Aber keine der Parteien hat darauf gehört.“ Die Situation habe nur die „enormen Differenzen zwischen der von Trump ins Spiel gebrachten chinesischen Lösung und der von Peking vorgestellten“ deutlich gemacht.

Das Atom-Problem sei eines zwischen der KDVR auf der einen und den USA/Südkorea auf der anderen Seite, macht „Global Times“ deutlich. So lange Pjöngjang die Umweltsicherheit seiner atomaren Anstrengungen garantiere, stelle dies keine Gefährdung für China dar. Wenn sich die bevorstehenden Atomwaffentests aber als potentiell riskant für den Nordosten Chinas erwiesen, würde Peking die Sanktionen innerhalb der UN-Beschlusslage verschärfen, was eine „dramatische Drosselung der Öl-Exporte nach Nordkorea“ bedeuten würde. Chinas Außenminister Wang Yi betonte auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrates am vergangenen Freitag die Forderung nach einer „De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel“.

Nordkorea hatte 1985 den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, aber 2003 seinen Austritt erklärt. Dieser Vertrag kann allerdings in seinen wesentlichen Zielen als gescheitert betrachtet werden. „Artikel IV: Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.“ Mit Indien, Israel und Pakistan sind, über die ursprünglich fünf Atommächte hinaus, weitere – akzeptierte – Kernwaffenstaaten hinzu getreten. Die Kampagnen gegen die Atomprogramme des Iran und Nordkoreas können daher kaum anders als ein Versuch der Festigung einer geostrategischen Machtposition verstanden werden.

Wie die US-Zeitschrift „Foreign Policy“ (FP) in einem bemerkenswert realistischen Beitrag, „Kim Jong Un is a Survivor, not a Madman“, hervorhebt, hatte auch Muammar al-Gaddafi 2003 der Einstellung seines Atomprogramms zugestimmt – zur großen Begeisterung des „Westens“. Genutzt hat es ihm nichts, er teilte das Schicksal von Mohammed Nadschibullah (Afghanistan), Saddam Hussein (Irak) und vielen anderen. „We came, we saw, he died“, lachte Hillary Clinton. Ohne Atombomben sind wir so gut wie tot, so „FP“, dürfte die Kalkulation von Kim und seinen Generälen sein. Und man kann kaum behaupten, dass sie damit falsch lägen.

In dieser Perspektive ist ein nicht-militärischer Ausweg aus der Krise schwer vorstellbar. „De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ muss sich für Pjönjang nach einseitiger Entwaffnung der Volksrepublik anhören. Die Tests gehen weiter. Die USA werden ebenfalls nicht auf ihre Atomwaffen verzichten. Ex-Präsident Obama hat ein atomares Neubauprogramm auf den Weg gebracht, das in den nächsten 30 Jahren über eine Billion Dollar kosten könnte.

Das ist eigentlich unnötig. Auch ohne US-Atomwaffen hätte das 25-Millionen-Volk der KDVR der Feuerkraft des Imperiums wenig entgegenzusetzen. Das Bild des brutal abgeschlachteten Ghaddafi, tot auf eine Motorhaube geschnallt, dürfte Warnung genug sein.

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"Ohne die Bombe so gut wie tot", UZ vom 5. Mai 2017



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