Zur China-Reise von Kanzler Scholz

Ohne Äffchen und Pferd

„Kein Skeptiker, kein Zweifler zerstört Urteil und Vernunft, Evidenz und Wahrscheinlichkeit wie dieser rasende Dämon Hoffnung“, wusste der französische Philosoph Paul Valéry. Nach heutigem Wissensstand ist der Mensch das einzige Lebewesen, das hoffen muss, weil ihm seine Sterblichkeit bewusst ist. Wer aber hoffen muss, fürchtet künftiges Ungemach. Besonders, wenn klar wird, dass das Gewohnte außer Reichweite gerät.

Ein Ausdruck von Anerkenntnis einer nachteilig veränderten Welt ist die Flucht in die Moral. Moral ist im Gegensatz zu der sie eigentlich intellektuell sortierenden Ethik subjektiv und damit im wirtschaftlichen wie im diplomatischen, zwischenstaatlichen Betrieb unbrauchbar. Umso beliebter ist sie bei den diese Ministerien leitenden Grünen Habeck und Baer­bock – denn sie ist bestens geeignet, sich die Welt gefällig zu singen, wie es einst Pippi Langstrumpf tat.

Ein anderer verzweifelter Ausdruck der Ahnung, dass die Dinge nicht mehr so sind wie sie waren, dass aber „zwei mal drei macht vier“ irgendwie auch nicht aufgeht, ist die Aggression. Dort ist der Platz der Strack-Zimmermann, Hofreiter, Kiesewetter und Roth, für die Krieg und Töten die beste Option sind, mit ihrer Angst fertig zu werden.

Oder man geht das Ungemach rational an und setzt nicht auf kunterbuntes Haus, Äffchen und Pferd. Am Fußabdruck seiner Vorgängerin orientiert, bildet die Reise des Kanzlers nach China den Vorrang des wirtschaftlichen Nutzens gegenüber Abkoppeln und Drohgebärden ab. Die Niederlage im politischen, militärischen und wirtschaftlichen Krieg gegen die Russische Föderation und die auch damit verbundene Einsicht, dass die Europäische Union in weitesten Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens nicht als Lösung, sondern als Hindernis für die Bewältigung der dringenden Probleme der internationalen Gemeinschaft und noch mehr der darin abhängig gehaltenen Teile angesehen wird, führt bei Scholz dazu, dem bestimmenden Kapitalflügel um Automobil-, Chemie- und IT-Industrie mehr zu vertrauen als manchem Kabinettsmitglied.

Das Kapital ist rational, die Medien halten dagegen: Scholz habe China nicht bewegen können, sich im Ukraine-Krieg diplomatisch zu engagieren – während der Kinderbuchautor Habeck diesen gleichzeitig in seinem Taka-Tuka-Land mit Versprechen von Waffenfabriken anheizt.

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"Ohne Äffchen und Pferd", UZ vom 26. April 2024



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