Offener Brief der „Palästinensischen Gemeinde Deutschland – Bonn“

Wir dokumentieren an dieser Stelle den offenen Brief der „Palästinensischen Gemeinde Deutschland – Bonn“ an den Oberbürgermeister und die Fraktionen im Rat der Stadt Bonn.

Der Vortrag von Shir Hever zu Israels rechten Freunden in Europa und den USA rief ein bundesweit agierendes Netzwerk aus Unterstützern von Israels ultrarechter Regierung auf den Plan. Zunächst wurde das „Deutsch-Kurdische Kulturhaus“ in der Bornheimer Straße dazu genötigt, den Veranstaltern den Raum zu kündigen. Dann wandte sich Aras-Nathan Keul per Twitter an den Bonner OB und brachte ihn – unter anderem mit der Behauptung, dass die Forderung nach einem Ende der israelischen Besatzung antisemitisch sei – dazu, die Ankündigung des Vortrags aus dem Veranstaltungskalender der Stadt zu entfernen. Später wurde auch der Ersatz-Veranstaltungsort, das Gesindehaus in Poppelsdorf, dazu genötigt, den Veranstaltern die zugesagten Räumlichkeiten zu kündigen. Am Ende wurde der Erfolg der Verleumdungen und Erpressungen wie üblich von dem Polit-Stalker Benjamin Weinthal in der Jerusalem Post verkündet.

Benjamin Weinthal tritt immer dann auf den Plan, wenn es gilt, Kritik an der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik Israels zu verhindern. Zusammen mit Henry M. Broder betreibt er ein Netzwerk von rechten Unterstützern der israelischen Politik, das von Stefan Laurin und Malca Goldstein-Wolf ergänzt wird. Er beschreibt sich selbst gern als Journalist. Das ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit.

Gleichzeitig wird er von der in Washington ansässigen „Foundation for Defense of Democracies“ als Wissenschaftlicher Mitarbeiter geführt. Die Stiftung wurde nach eigenen Angaben nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gegründet. Zu ihrem derzeitigen „Beratenden Ausschuss“ gehören u.a. der langjährige CIA-Mitarbeitender (stellvertretender Direktor) und Geheimdienstchef des US-Bundesbehörde Homeland-Security, Charles E. Allen, zwei frühere hochrangige FBI-Mitarbeiter, darunter ein stellvertretender Direktor, sowie ein Viersternegeneral und ehemaliger Kommandeur des US Marine Corps. Zum Führungsgremium „Leadership Council“ der Stiftung zählen u.a. der frühere CIA-Direktor James Woolsey, der frühere FBI-Direktor Louis J. Freeh sowie Robert McFarlane, Sicherheitsberater von Präsident Ronald Reagan und einer der Hauptprotagonisten der „Iran-Contra-Affäre“. Bei manchen seiner Artikel (u.a. in „The Weekly Standard“) wird Weinthal als Mitarbeiter dieser „Foundation for Defense of Democracies“ präsentiert.

Mit Benjamin Weinthal mussten schon viel Menschen unangenehme Erfahrungen machen, auch ohne dass sie ihn jemals wirklich kennenlernen konnten. Er tritt in der Regel als Tandem mit Henryk M. Broder auf, die beiden scheuen vor keinen auch persönlichen Angriffen zurück.

So schreibt z.B. der Journalist Alan Posener im Dezember 2009 über eine Kampagne gegen Mitglieder des „Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus“ des Bundestages: „Die Strippenzieher der Kampagne gegen den Expertenkreis – Henryk M. Broder, Benjamin Weinthal und Levi Salomon – haben selbstverständlich jedes Recht, ihre Agenda zu verfolgen, so schädlich diese auch für den Kampf gegen den Antisemitismus und das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland sein mag. Jedoch haben sie nicht das Recht, sich als unabhängige Journalisten (im Falle Weinthals), unabhängige Experten (im Falle Salomons) oder unabhängige beleidigte Leberwürste (im Falle Broders) auszugeben. Sie sind Partei, und sie sollten das offen bekennen.“  Alan Posener ist zur Zeit Korrespondent für Politik und Gesellschaft bei der “Welt”-Gruppe.

Bodo Ramelow, damals Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, beklagte im Juni 2012 eine Verleumdungskampagne gegen ihn und den damaligen OB der Stadt Jena Albrecht Schröter. Ausgangspunkt war der Aufruf „Besatzung schmeckt bitter“ von Pax Christi, den Schröter unterzeichnet hatte. Benjamin Weinthal, Henryk M. Broder und Kevin Zdiara hatten diese Kampagne initiiert, an der sich auch Vera Lengsfeld beteiligte. Ramelow fragte sich damals:„Wird also das Engagement gegen Neonazis und für das Andenken an die im Holocaust ermordeten europäischen Juden bewusst diskreditiert, da es nach Ansicht von Zdiara und Weinthal in eine falsche Richtung führt? Schlimmer noch: wird der, der sich selbst ernannten höchsten und letzten Instanzen (Broder) nicht unterwirft, einfach generell als „Antisemit“ denunziert?“

Im Jahr 2016 berichtete die Südwest Presse über Angriffen von Weinthal gegen einem Vortrag von Arn Stromeyer an der Volkshochschule Ulm. Der Kommentator hatte offensichtlich die Nase voll: „Gemach, der Vorwurf ist mehr als fadenscheinig – vor allem, wenn man die Akteure genauer betrachtet. Da ist zum einen der Europa-Korrespondent der Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, der systematisch die Antisemitismus-Keule benutzt, um Israel-kritische Veranstaltungen zu verhindern. Veranstaltungen, die sich mit der umstrittenen Politik des Staates Israel gegenüber den Palästinensern auseinandersetzen. Da ist zum anderen die Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Ulm/Neu-Ulm, die in bedingungsloser Solidarität die Politik Israels gutheißt und die die aus öffentlichen Geldern finanzierte vh-Veranstaltung als „Skandal“ brandmarkt. Was wirklich ein Skandal wäre? Wenn über Menschenrechtsverletzungen nicht gesprochen würde – gerade in der Ulmer vh mit ihrer Tradition. Denn Menschenrechte sind unteilbar, sie gelten für alle: ob für Israelis, für Deutsche oder für Palästinenser.“

Das Nahost-Forum Bremen wies 2017 auf den Erpressungsversuch von Weinthal gegen den Berliner OB Michael Müller hin, da er sich nicht schnell genug von der BDS-Kampagne distanziert habe. „Die Jerusalem Post und das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles drohen in aller Öffentlichkeit, den Berliner Regierenden Bürgermeister Michael Müller auf die Liste der zehn schlimmsten Antisemiten zu setzen.“ Selbst dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland  war das zu viel. „Mal sehen, ob Benjamin Weinthal, die Jerusalem Post und das Wiesenthal-Center mit dem Erpressungsversuch durchkommen. Der Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland distanziert sich offenbar von dem Vorhaben. Er hält es für „unangebracht“ und sogar für „grotesk“, den Regierenden Bürgermeister die Top-Ten-Antisemiten-Liste Liste zu setzen.“

Michael Blume, Antisemitismus-Beauftragter Baden-Württembergs wurde von Weinthal im Jahr 2018 aufgefordert, sich für die Kündigung des Kontos des „Palästinakomitees Stuttgart“ bei der Landesbank Baden-Württemberg einzusetzen. Entsetzt schreibt Blume: „Doch bizarrerweise meinte dann auch ein “Europakorrespondent” eines israelischen Mediums auf medienrechtlich und medienethisch fragwürdige Weise Druck für weitergehende, teilweise gar rechtswidrige Forderungen ausüben zu können. So erhielt ich per EMail und unter Umgehung der Pressestelle von Herrn Benjamin Weinthal ganze Reihen von Fragen in völlig unangemessenen Ton und mit engster Fristsetzung“.

Blume zieht aus seinen Erfahrungen mit Weinthal eindeutige Schlüsse: „Erklären Sie den Nachstellenden, dass Sie keinen weiteren Kontakt wünschen und verweisen Sie ggf. auf die zuständigen Pressestellen oder Ihren Rechtsbeistand. Behalten Sie sich im Fall fortgesetzter Belästigungen und Drohungen das Einschalten der Sicherheitsbehörden und rechtliche Schritte vor.“

Die Palästinensische Gemeinde Deutschland – Bonn fordert alle Verantwortlichen in Bonn auf, sich durch die Kampagne dieses rechten Netzwerks nicht beeindrucken zu lassen. Setzen Sie sich für das Recht auf Meinungsfreiheit ein und unterstützen Sie den Vortrag von Dr. Shir Hever am 4. Februar in Bonn!“

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