Zum Waffenstillstandsabkommen

Offene Wunde

Zehntausende Tote, unzählige Verletzte und Traumatisierte in Gaza, die Städte in Trümmern, die Infrastruktur zerstört. In dem mehr als 470 Tage dauernden Krieg wurden nach ofiziellen Angaben 47.771 Menschen im Gazastreifen getötet, mehr als 2 Millionen Menschen wurden vertrieben. Und das, obwohl ein Abkommen bereits seit Monaten vorlag. Es war die Zusammenarbeit von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Ex-US-Außenminister Antony Blinken und Ex-Präsident Joseph Biden, die immer wieder die Waffenruhe verhinderte.

Selbstverteidigung, der Sieg über Hamas und Geiselbefreiung waren die Schlagworte, die den Genozid verschleiern sollten, die Vertreibung der Palästinenser mindestens aus dem Norden von Gaza war das Ziel.

Dieses Ziel hat Israel nicht erreicht. Und auch der Sieg über die Hamas bleibt für Israel eine Illusion. Dass die Politik des Genozid, die der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag verfolgt, ihr Ziel nicht erreicht hat, liegt am wenigsten an den arabischen Ländern oder gar der Türkei. Sie hatten zur Unterstützung von Gaza wenig zu bieten: Papierene Erklärungen und Hilfslieferungen, die wegen des israelischen Widerstands ihr Ziel nicht erreichten.

Heraus stach der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der mit besonders markigen Worten auftrat und sich wieder als Unterstützer Palästinas inszenierte, es aber an konkreten Maßnahmen fehlen ließ. Auch die jordanische Regierung beließ es bei Worten und einigen Tränen der Königin, obwohl die Bevölkerung zu einem großen Teil aus Palästinensern besteht. Und die deutsche Rolle besteht in uneingeschränkter Solidarität mit dem Genozid – was dem Land eine Anklage wegen Beihilfe in Den Haag einbrachte.

Für die Eliten der Golfstaaten und der arabischen Welt sind gute Geschäfte wichtiger als Palästina. Das gilt selbst für palästinensische Geschäftsleute auf der Westbank. Für sie alle ist Palästina kein Traum – sondern eine Belästigung.

Seit dem 7. Oktober 2023 ist ihnen allen zum Trotz Palästina wieder im Fokus des Inte­resses. Der neue US-Präsident Donald Trump möchte dagegen seine Lösung wieder in den Mittelpunkt rücken: Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten, ob mit oder ohne Palästina. Doch er setzt zuerst auf die Aufhebung der Sanktionen gegen Siedler. Für Saudi-Arabien wird es nicht einfach sein, von der Forderung „keine Normalisierung ohne einen Staat Palästina“ abzurücken.

Palästina bleibt auch in Zukunft eine offene Wunde und eine Annexion der Westbank oder die Bedrohung von palästinensischen Bürgern in Israel würde nur zu weiterem Blutvergießen führen. Es braucht eine politische Lösung, ein Ende der Apartheid und einen Staat auch für die Palästinenser.

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"Offene Wunde", UZ vom 24. Januar 2025



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