Die Autobahn-Betreibergesellschaft „A1 Mobil“ droht der Bundesregierung mit der eigenen Pleite. Sie verklagt die Regierung auf 787 Mio. Euro, weil die Lkw-Maut aus dem Autobahnteilstück der A1 von Bremen nach Hamburg weniger ergiebig war als bei Vertragsabschluss erwartet. Es geht dabei um ein Vorzeigevorhaben der Privatisierungsbefürworter. Die so genannte Hansalinie wurde von 2008 bis 2012, also in nur vier Jahren, auf 73 km sechsspurig ausgebaut. Der Klage zufolge, die am vergangenen Freitag beim Landgericht Hannover einging, liegt das Volumen für das öffentlich-private Projekt bei insgesamt 1,3 Mrd. Euro. 515 Mio. Euro entfallen davon auf den sechsspurigen Ausbau, 265 Mio. auf Unterhalt und Betrieb der Strecke und 518 Mio. Euro auf die Finanzierung. A1 Mobil ist ein Konsortium, das sich aus dem Bauunternehmen Johann Bunte, Papenburg, und dem britischen Fonds John Laing zusammensetzt.
Die angedrohte Pleite eines als „ÖPP – öffentlich-private Partnerschaft“ betriebenen Projektes kommt nur zwei Monate, nachdem die Regierung als letztes Vorhaben der Legislaturperiode per Grundgesetzänderung die ÖPP zum Standard bei der Finanzierung von Straßen und Schulen gemacht hat. Entsprechend distanziert sich nachträglich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz von den Privatisierungsplänen im Fernstraßennetz. „Mit mir als Kanzler wird es eine Autobahnprivatisierung nicht geben“, sagte er der WAZ. Der EU-Parlamentsabgeordnete der Linkspartei Fabio De Masi wies dagegen darauf hin, dass Autobahnprivatisierungen und ÖPP ein „Verlustgeschäft für die Steuerzahler sind. Die langfristigen haushaltspolitischen Risiken werden im Unterschied zur öffentlichen Kreditaufnahme verschleiert.“ Dagegen ganz cool Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der zusammen mit Wolfgang Schäuble (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) die Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung vorangetrieben und durchgesetzt hatte. „Das ÖPP-Projekt A1 ist das Projekt von SPD-Verkehrsminister Tiefensee“, argumentierte er. Die Union habe nun sozialdemokratische „Anfängerfehler“ beseitigt und eine neue Generation der Projekte mit einem Gesamtvolumen von 15 Mrd. Euro gestartet.
Zum aktuellen Fall der drohenden A1-Pleite ließ das Bundesverkehrsministerium verlauten, bei einer Insolvenz der Betreiberfirma könne der Bund den Konzessionsvertrag kündigen. Die Aufgabe, die Autobahn zu betreiben und zu unterhalten, falle dann an den Bund zurück. Doch ein Rechtsgutachten nährt daran Zweifel. Der Bund könne wohl gar nicht kündigen, weil die entsprechende Klausel im Konzessionsvertrag wahrscheinlich unwirksam sei, heißt es. Wie sich die Sache tatsächlich verhält, ist von außen nicht zu beurteilen. Das ist sozusagen der Skandal im Skandal. Die ÖPP-Verträge werden geheim gehalten und können nicht einmal von den Abgeordneten der jeweils betroffenen staatlichen Ebene eingesehen werden. An sich muss die Pleite einer kleinen Betreiberfirma nicht bedrohlich sein. Weder würden die beiden Eigentümer der Firma, noch nennenswert Arbeitsplätze bedroht. Den Schaden hätten lediglich die betroffenen Banken, deren Kredite nicht zurückgezahlt werden könnten.