Die Übereinkunft der Ölexportländer (OPEC) mit dem größten Ölproduzenten Russland ist am vergangenen Donnerstag um neun Monate, bis März 2018, verlängert worden. Der Zweck des Abkommens ist eine Stabilisierung des Erdölpreises. Auf kurze Sicht ist das nicht gelungen. Am vergangenen Donnerstag fiel der Preis um satte 5 Prozent auf 51,50 Dollar je Fass (159 Liter). Das allerdings will nicht viel heißen. Auf mittlere Sicht dürfte das Abkommen seinen Zweck erfüllen.
In der OPEC-Geschichte ist die Vereinbarung ein ganz besonderer Deal. Denn zu dem einvernehmlichen Beschluss im November 2016, die Produktion ab Januar 2017 um 1,2 Millionen Fass pro Tag zurückzufahren, sind immerhin miteinander Krieg führende Parteien gekommen. Innerhalb der OPEC sind Saudi-Arabien und Iran Gegner auf den Schlachtfeldern im Jemen und in Syrien. Beide ringen um Einfluss im Irak, das seit dem Überfall der USA 2003 mittlerweile wieder zum zweitstärksten Exportland der OPEC-Gruppe geworden ist. Außerdem ist in dem Beschluss an entscheidender Stelle Russland an der Kürzungsentscheidung beteiligt. Ohne den diplomatischen Druck Russlands wäre der Deal nicht zustande gekommen. Aber gerade Russland trägt entscheidend dazu bei, dass die Kriegsallianz aus NATO-Ländern und den reaktionären Golfmonarchien Syrien als Staat nicht zerstört hat.
Die Tatsache, dass das Kartell in der Lage war, so verschiedene Seiten zur Zustimmung für einen gemeinsamen Beschluss zu bringen, hat viel zur Stabilisierung des Erdölpreises beigetragen. Für viele überraschend war auch, dass die Produktionskürzung, die die einzelnen Länder übernommen hatten, auch eingehalten wurde. Das Fass Rohöl kostet nun schon seit September 2016, als die Kürzungsentscheidung von der OPEC und Russland angekündigt worden war, mehr als 50 Dollar. Es war keineswegs selbstverständlich, dass der Kürzungsbeschluss über den Juni dieses Jahres hinweg ins nächste Jahr hinein weiter Gültigkeit haben würde. Der russische Energieminister Alexander Novak wird mit der Aussage zitiert, die OPEC und Russland gemeinsam verfügten über die Mittel, auf den Ölpreis Einfluss zu nehmen.
Warum der Ölpreis just während der Ölministerkonferenz am vergangenen Donnerstag vorübergehend so stark einbrach, könnte mit der Entlassung Noureddine Boutarfas, des bis dato Ölministers Algeriens, zu tun haben. Denn im Ölhandel wurden Gerüchte laut, das Förderkürzungsabkommen werde platzen. Algerien ist zwar eines der kleineren Ölexportländer (das Land exportiert jedoch viel Erdgas), aber Boutarfa hatte im vergangenen Sommer viel zum Zustandekommen des historischen Deals beigetragen und die Ölminister aus den entscheidenden Ländern zu einer mehrtägigen Klausur in einem Luxushotel am Rande von Algier eingeladen. Drei Wochen nach der Parlamentswahl Anfang Mai wechselte die seit Erkämpfung der Unabhängigkeit regierende FLN den Ministerpräsidenten aus und einen Tag später auch Boutarfa. Zum neuen Energieminister wurde statt seiner der Chef der Gasgesellschaft „Sonelgaz“, Mustapha Guitouni, berufen.
Die OPEC ist eines der ganz wenigen (wenigstens manchmal) funktionierenden Kartelle bei Rohstoffen. In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte es die OPEC durch zwei Embargoaktionen geschafft, den Erdölpreis auf ein Vielfaches des vorigen Niveaus anzuheben. Voraussetzung für die Gründung des Kartells war die Verstaatlichung der Erdölproduktion in wichtigen Ländern. Sogar die mit dem Westen schon damals eng verbündeten feudalen Golfstaaten wie Saudi-Arabien und Kuwait drängten die westlichen Ölgesellschaften aus der Ölförderung und dem Verkauf des Saftes auf eigene Rechnung.
Der Ölpreis war bis 2014 außergewöhnlich hoch – bei um die 120 Dollar je Fass. Das hatte mit dem enormen und lange unterschätzten Rohstoffbedarf des stark wachsenden Industrielandes China zu tun und mit Störung der Ölproduktion wegen der von den westlichen Staaten angezettelten Kriege gegen wichtige Ölförderländer, insbesondere Irak und Libyen. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2014 rutschte angesichts der mäßigen Nachfrage aus den alten Industrieländern und dank der immer schneller wachsenden Schieferproduktion (Fracking) in den USA der Ölpreis auf ein Tief von fast 30 Dollar je Fass ab. Erst der OPEC-Russland-Deal stoppte den Preisrutsch.
Neben den OPEC-Staaten selbst und Russland sind die US-Produzenten von Erdöl die größten Profiteure des Ölabkommens. Dank der Stabilisierung der Preise lohnt es sich, immer mehr potenzielle Ölfördergebiete auf die unkonventionelle (und besonders umweltschädliche) Methode auszubeuten.So wird bereits ein Großteil der Förderkürzung von der ständig steigenden US-Produktion ausgeglichen. Die US-Regierung, die wie ihre Vorgängerinnen eng mit der Ölindustrie verbandelt ist, hat deshalb auch noch kein böses Wort über den OPEC-Deal verlauten lassen.