Die Klima-Versprechen der grün-gelben SPD-Regierung

Ökologisch geht, was profitabel ist

„Klima-Kanzler“ soll Olaf Scholz werden, denn das „Zukunftsthema“ Klimaschutz sei nun Chefsache. Deutschland müsse künftig auf einen „1,5-Grad-Pfad“ gebracht werden, heißt es im Sondierungspapier der Spitzen von SPD, Grünen und FDP. Dass sich dieser „Pfad“ aus internationalen Vertragsverpflichtungen ableitet, wird zwar kurz erwähnt, das Ziel steht allerdings – wie viele andere Punkte in dem Papier – ohne konkrete (Finanzierungs-)Vorschläge eher als politische Willensbekundung im Raum. Da reden die künftigen Koalitionäre viel vom Klima und vom sozial-ökologischen Umbau, doch zielen ihre vorgeschlagenen Maßnahmen wenig auf das Ökologische. So wird die zu erhaltende Biodiversität genannt, dann aber auf ein Tierwohl-Label und die Nutzung von weniger Düngemittel reduziert.

Ob die Förderung bäuerlicher Landwirtschaft oder die kontrollierte Umsetzung ökologischer Standards in der Agrarindustrie, ob städtebauliche Maßnahmen zur Eindämmung der Flächenversiegelung oder großangelegte Aufforstung – an Ansatzpunkten für eine „zukunftsorientierte“ Klimapolitik einer kommenden Bundesregierung würde es nicht mangeln. Doch wenn die SPD und ihre grün-liberalen Mehrheitsbeschaffer nun so viel von einer sozial-ökologischen Transformation sprechen, dann ist damit vor allem Transformation von oben gemeint, also im Sinne des Umbaus ihres Akkumulationsregimes. So wie bisher mit der Formel von der „sozialen Marktwirtschaft“ der ganz normale kapitalistische Markt gemeint war.

Ökologisch geht auf diesem „Pfad“ was profitabel ist. Anstatt eine einzige Idee an den flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Personentransports oder der digitalen Ausstattung in ländlichen Regionen zur Erleichterung wohnortnaher Arbeitsmöglichkeiten zu verschwenden, wird weiter auf den motorisierten Individualverkehr gesetzt. Wer sich bisher keinen Neuwagen leisten konnte, soll sich künftig keinen neuen Verbrenner mehr kaufen können, aber darf sich an mehr E-Auto-Ladestationen erfreuen.

Ähnlich ist es mit der Energiepolitik. Die Preise sollen natürlich „wettbewerbsfähig“ bleiben. Also wird die Energiepolitik ein Problem der Haus-(Dach-)Besitzer: Die flächendeckende Nutzung von Photovoltaik-Anlagen soll es richten. Entsprechende Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden, jedoch gehe es besonders darum „private Bauherren finanziell nicht zu überfordern. Wir sehen darin auch ein Konjunkturprogramm für Mittelstand und Handwerk.“
Während die Energiepreise durch die Decke schießen und in Nachbarländern schnelle finanzielle Unterstützungen zur Deckung der Heizkosten von Familien ausgezahlt werden, möchte die künftige Klimaregierung nicht über das Problem der Energiekosten für private Haushalte nachdenken. Da passt es, dass der Interessenverband der Deutschen Industrie (BDI) in einem Statement vor den Folgen steigender Energiepreise für deutsche Unternehmen warnt und darauf hinweist, dass der viel gepriesene Umbau einiges kosten wird. Wenn die Chef-Verhandler der künftigen Regierung also von der Erhöhung der „Zukunftsinvestitionen“ bei gleichzeitiger Absage an eine Höherbesteuerung von großen Vermögen reden, dann muss das auch irgendwer bezahlen. Der BDI sagt deutlich, dass die Industrie das nicht sein will – warum auch, ohne direkte Profitaussicht? Der Verband stellt aber fest, dass es unter 100 Milliarden Euro pro Jahr (!) keine Transformation geben wird.

Die im Sondierungspapier geplanten sozialen Angriffe sind eine altbekannte Krisenlösungsstrategie aus Sicht der Herrschenden. Gelingt es uns nicht, die Umweltfrage zur Systemfrage zu machen, überlassen wir sie den etablierten Parteien zur Legitimation ihrer eigenen Politik. Das erschwert sowohl den Kampf gegen das Abwälzen der Krisenkosten auf die arbeitende Bevölkerung als auch den um den Erhalt einer lebensfähigen Umwelt.

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"Ökologisch geht, was profitabel ist", UZ vom 29. Oktober 2021



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