Auf jeder Demo zeigt sich, wie herausfordernd es sein kann, en bloc zu laufen: Anschluss halten, niemanden anrempeln und darauf achten, dass niemand verloren geht. Noch spannender wird es, wenn man mit zwei weiteren Genossen ein Transparent trägt. Der Wind drückt gegen den Stoff, die Handschuhe liegen vergessen zu Hause, Straßenschilder erfordern gekonntes Manövrieren und die größte Brisanz: Linie halten, das „Transpi“ spannen, damit der Text lesbar ist.
Herzlich Willkommen in der Dreierkette. Der mit Abstand schönsten Formation der fußballerischen Abwehr und ebenfalls unerlässlich im kommunistischen Alltag.
Ältere Fußballfans werden sich noch an die frühere Version der Dreierkette entsinnen, als sie sich nicht, wie heute üblich, auf die Raumdeckung orientierte, sondern mit dem Libero einen verführerischen Meister seiner Klasse hatte. Während der Rest seiner Dreierkette sich nur auf die Manndeckung konzentrierte, durfte die klassische Nummer 5 ins Spielgeschehen eingreifen und entwickelte sich im Laufe der Zeit von der defensiven „Ausputzer“-Funktion zu einer kleinen Umschaltstelle der Spielgestaltung. Die mit dem Libero gespielte Formation lief in Sachen Torchancen jedoch zunehmend auf Kontersituationen hinaus, was im Fußball wenig ertragreich sein kann. Auch die generelle Entwicklungen der Positionen gruben mit am Grab des Libero. Das Spiel ist variabler geworden und der Aufbau nicht mehr so statisch, wie noch in vergangenen Jahrzehnten. Dennoch gilt: eine gute Defensive ist unerlässlich.
Union wird in dieser Saison, absolut zu Recht, für die stärkste Defensivleistung der Liga gelobt. Doch was ist es, das unsere Abwehr so erfolgreich macht? Das Schlüsselwort fiel bereits: Raumdeckung. Anders als in der direkten Verteidigung, sprich, jedem Spieler wird ein Gegenspieler zugeordnet, wird hier der Raum verteidigt. Was eine hohe Kunst ist, denn wer den Raum verteidigt, muss wahre Spielkompetenz besitzen und erkennen, wo der Gegner hinlaufen könnte. Wer unsere Dreierkette beobachtet, wird sehen, wie gut die Abstimmung innerhalb dieses Riegels ist. Nonverbal kommuniziert die Kette miteinander und verschiebt stillschweigend und anmutig ihre Laufwege im Dreiklang. Beginnend in einer Linie bei Anpfiff, rotieren sie nicht selten in Dreiecksformation durch die eigene Hälfte, ziehen sich aber auch wie ein Gummiband in die Länge, um jeglichen Raum abzudichten und dem Gegner die Luft abzuschnüren. Üblicherweise von zwei Außenbahnspielern gestützt, kommt es vor, dass sich die äußeren Innenverteidiger mit nach vorne bewegen, während die goldene Mitte sich zurückfallen lässt. Ein traumhafter Anblick. Die wahre Schönheit bringt jedoch erst die gegnerische Angriffswelle zum Vorschein. Insbesondere in Kontersituationen, sprich, des schnellen Umschaltens und des Ausnutzens eines Überzahlmoments, in diesem Augenblick, wenn dem Gegner sämtlicher Raum offen scheint, sieht man, wie innerhalb kürzester Zeit die Spieler zurückfluten, und die rote Front ist wieder geschlossen, der freie Raum geschlossen. Eine wahre Augenweide! Diese zu erschaffen bedarf es hoher Laufbereitschaft, welche Union mit durchschnittlich 117 Kilometern Spiel für Spiel auf den Platz bringt. Unsere Nummer 31, Robin Knoche, Meister der Innenverteidigung und Herzstück der Dreierkette, bringt es dabei auf durchschnittlich 10,29 Kilometer. Beide Zahlen belegen: Abwehrarbeit ist echte Knoche(n)arbeit.
Was neben der Laufleistung stark auffällt, ist die absolute Hingabe der Unioner. Jeder läuft für jeden, bei gegnerischen Ecken helfen unsere kopfballstarken Stürmer ebenso selbstverständlich im eigenen Strafraum aus, wie die Köpfe unserer Abwehr Freistöße ins gegnerischen Tor netzen. Auf dem Platz wie der Straße zeigt sich: die Dreierkette ist Dreh- und Angelpunkt, der Blickfang, die hohe Kunst. Doch nur gemeinsam erreicht man das Ziel: Klassenerhalt in der Liga. Überwindung der Klassen in der Gesellschaft.
Eisern!