Es war zur diesjährigen Narrenzeit in Oche (Aachen). Von der Karnevals-Festsitzung rülpsten Konfettikanonen, während im ukrainischen Stellvertreterkrieg Bombengewitter tobten. Zwei Damen des bundespolitischen Establishments spreizten sich im Getümmel der A- und B- und C-Promis. Das Spotlicht der Kameras war auf sie gerichtet und hernach wohl auch mancher Spott der Zuseher, denn kein Stromausfall erlöste von dem Anblick. Im Saal freilich überwog der bedrückende Applaus der besinnungslos Heiteren. Was da quiekte, wird den Protagonisten unseres Gesellschaftsverfalls niemals ernsthaft die Leviten lesen. Lange vorbei sind hier die besten volkstümlichen Sitten, nach denen die falschen Uniformen der Karnevalszeit Ausdruck von Opposition und zivilem Ungehorsam waren. Und wer von den Aachener Promi-Narren weiß schon, dass dereinst ihr lässiger Karnevalsgruß eine marode Staatlichkeit samt ihrem Militarismus verhöhnen wollte? Alles vorbei. Heute schleimt man am Hofe der Macht. Und so wurden in diesem Jahr zwei notorische Kriegstreiberinnen aufs Podest gehoben, die sich zwar jenen Hohn durch übermäßigen Fleiß verdient hatten, hier aber mit anbiederndem staatstragendem Beifall gefeiert wurden. Oche Alaaf!
Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages und Führungskraft diverser Lobbyvereine der Rüstungsindustrie, hat Gefallen daran gefunden, den Vampir zu geben und fragt Spieglein an der Wand, wer die Schönste im ganzen Land sei. Sie natürlich hier, aber der „Pistolen-Boris auf der harten Höh’ …“ Das nervt die Amazone in Vampirgestalt gewaltig. Sie interessiere einen Driss, wer unter ihr Minister is, sagt sie und legt nach: „Von Kopf bis Fuß ganz formidabel,/ohne Zweifel ministrabel./In jeder Talkshow ein Gewinn,/weil ich die Allergeilste bin.“ Wo narzisstische Koketterie endet und Peinlichkeit beginnt, soll Volkes Geschmack entscheiden. Aber ihre Geilheit nach mehr kriegsbesessenem Einfluss sollte man nicht weglachen. Immerhin gibt Madame Vampir schon jetzt dem Ampel-Galopp in Richtung Weltkriegsinferno mit beängstigender Skrupellosigkeit die Sporen. En passant bespöttelt sie die toxische Männlichkeit im Kader der Opposition. Das gilt als politisch frivol. Die Bürgerpresse haut sich vor Vergnügen auf die Schenkel, wagt es aber nicht, das weitaus Toxischere an Strack-Zimmermanns Rufen nach Kriegsverlängerung und vermehrten Waffenexporten auszuleuchten. Vielleicht könnte dafür ein besonnener „Karnevalist von unten“ mal sowas zurückreimen wie: „Wer steckt halstief im Lobbytopf,/hat Bomben statt Vernunft im Kopf,/weshalb man sie nicht wählen kann:/Marie-Agnes Strack-Zimmermann./Oche Alaaf!“
Und dann die Außenministerin. Die als brandgefährliche Dilettantin aus dem Amt entlassen werden müsste, erhält in Aachen den „Orden wider den tierischen Ernst“, weil sie im Einsatz für Frieden, Sicherheit, Klimaschutz, Demokratie und Menschenrechte durch ihre Außenpolitik auf Augenhöhe beeindrucke, sagt der Präsident des Aachener Karnevalsvereins. Und die Ausgezeichnete erwidert artig, sie fühle sich geehrt im illustren Kreis der Ritterinnen und Ritter. Glückwunsch! Dazu gehören Militaristen wie Adenauer, Strauß, Kramp-Karrenbauer oder Karl-Theodor zu Guttenberg, aber die haben wenigstens Russland nicht den Krieg erklärt. Mögen nun gutgläubige Alt-Preisträger nachdenken, was dieser vergiftete Orden noch wert ist. Gregor Gysi wird seinen sicher zurückgeben. Oder?
Wer denkt, tierisch ernste Karnevalsfeindlichkeit hätte diese Zeilen diktiert, irrt. Die närrische Zeit, in der Humor die Menschen wärmt, hat ja doch so Vieles vom guten alten Dorn. Spießt auf, karikiert, will verlachen und bessern. Karneval von unten ist guter Volkskommentar. Je treffsicherer im Biss, desto nützlicher. Denn Karneval oben ist Operette.