Uli Brockmeyer über die Folgen des Abschusses

Oberwasser für Trump

Niemandem passt der Absturz des ukrainischen Passagierflugzeugs über dem Iran so sehr ins schmutzige Konzept wie den Kriegsfalken in Washington und Umgebung. Es ist interessant, dass dort und in anderen westlichen Hauptstädten bereits von einem versehentlichen Abschuss die Rede war, bevor die Untersuchungen durch Fachleute richtig begonnen hatten.

Hier drängen sich Parallelen geradezu auf. Da gab es ein südkoreanisches Passagierflugzeug, das im September 1983 „versehentlich“ vom Kurs abkam und schließlich über sowjetischem militärischem Sperrgebiet abgeschossen wurde. Spätere Nachforschungen ergaben, dass der Jumbo-Jet durch Manipulationen in eine Falle gelockt und der Tod der 269 Insassen bewusst in Kauf genommen worden war. Das Ergebnis passte den westlichen Strategen des Kalten Krieges hervorragend ins Programm. Zwischen heißem und kalten Krieg erfolgte im Juli 1988 der Abschuss einer iranischen Passagiermaschine über dem Persischen Golf durch ein US-Kriegsschiff, das dort eigentlich gar nichts zu suchen hatte. Nur aufgrund der Besonnenheit der iranischen Führung kam es nicht zu einer militärischen Eskalation.

Dem Schüren von Spannungen nutzte auch der Abschuss eines russischen Zivilflugzeugs über dem Schwarzen Meer im Oktober 2001 durch ukrainisches Militär. Und natürlich der Abschuss der Maschine der Malaysia Airlines über der Ostukraine im Juli 2014, nach dem unverzüglich Russland zum Schuldigen erklärt wurde, dessen Untersuchungen jedoch bis heute nicht zufriedenstellend abgeschlossen sind.

Zwar haben die iranischen Revolutionsgarden am Wochenende eingeräumt, das ukrainische Flugzeug, das ihnen wie ein feindlicher Marschflugkörper auf dem Radar erschienen sei, versehentlich abgeschossen zu haben, aber damit sind längst nicht alle Fragen beantwortet. Warum ließ die ukrainische Fluggesellschaft ihre Maschine diesen Kurs bei Dunkelheit fliegen? Warum wurden angesichts der Situation keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen oder der Flug sogar abgesagt? Warum hatten westliche Geheimdienste Informationen über den tragischen Zwischenfall, noch ehe der iranische Präsident davon Kenntnis erhielt? Fällt es niemandem auf, dass der Iran in jeder Hinsicht nur Schaden durch den Abschuss haben kann?

Die regierungsfeindlichen Demonstrationen in Teheran kommen für die USA und ihre Verbündeten jedenfalls genau zur rechten Zeit. Denn der absolut unberechenbare Chef des Weißen Hauses hatte zuvor verkündet, man plane keinen Militärschlag gegen den Iran als Reaktion auf Raketenangriffe gegen US-Militärs im Irak. Wurde die Erklärung von Trump als Rückzieher aufgefasst, so bekam er durch die Proteste im Iran sofort wieder Oberwasser. Denn es ist alles andere als eine Beruhigung in der anhaltenden Krise, wenn der US-Präsident sich per Twitter direkt an die Demonstranten wendet und ihnen nicht nur die Unterstützung der USA zusichert, sondern der iranischen Führung gleichzeitig mit der militärischen Macht der USA droht.

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"Oberwasser für Trump", UZ vom 17. Januar 2020



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