Wie der britische „Morning Star“ berichtet, hat der schottische Labour-Vorsitzende Anas Sarwar von der schottischen Regierung Notstandsgesetze gefordert, um die steigenden Lebenshaltungskosten in den Griff zu bekommen. Die Gesetze sollen ein Verbot von Zwangsräumungen im Winter, einen Mietstopp, die Streichung der bisher entstandenen Schulden für Schulmahlzeiten, die Halbierung der Bahntarife und eine Deckelung der Kosten für Busfahrten enthalten. Zudem soll es zusätzliches Geld für „Überbrückungszahlungen“ für Kinder, die kostenlose Schulmahlzeiten erhalten, und Unterstützung für Unternehmen geben.
Die Erste Ministerin Nicola Sturgeon hatte am Dienstag vergangener Woche angekündigt, einen Gipfel mit den Energieunternehmen veranstalten zu wollen, um die Krise zu bewältigen. Dabei soll ein „mitfühlenderer Ansatz für das Schuldenmanagement“ untersucht werden.
Sturgeon betonte, sie wisse, „dass dies eine unglaublich beunruhigende Zeit für Haushalte und Energieverbraucher in ganz Schottland“ sei. Die schottische Regierung werde weiterhin alles tun, „um die Betroffenen zu unterstützen“.
Sarwar warf der Regierung dagegen Tatenlosigkeit vor: „Während die Labour Party einen Plan vorschlägt, der Familien 1.000 Pfund auf ihren Energierechnungen sparen würde, fordern die Tories Steuersenkungen für Milliardäre.“
Wie wichtig das Verbot von Zwangsräumungen für Schottland wäre, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Neuesten Statistiken zufolge waren etwa 8 Prozent der Menschen in Schottland – einer von zwölf – bereits von Obdachlosigkeit betroffen. Laut einer Veröffentlichung der Wohltätigkeitsorganisation „Crisis“ steht zu befürchten, dass die Krise der Lebenshaltungskosten bald zu einem starken Anstieg der Zahl von Menschen führen könnte, die aus ihren Wohnungen vertrieben werden. „Ohne dringende Maßnahmen besteht die große Gefahr, dass die Zahl der Obdachlosen in Schottland in den kommenden Monaten stark ansteigt“, so Matt Downie, der Leiter von „Crisis“.
Auch Kinder sind in Schottland inzwischen in einem nie gekannten Ausmaß von Wohnungslosigkeit betroffen. Nach Regierungsangaben hat sich die Zahl der Kinder, die zum Stichtag am 31. März in Notunterkünften lebten, von 7.385 auf 8.635 erhöht, also um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Seit 2002 hat sich die Zahl der Kinder in Wohnungslosigkeit vervierfacht.
Im gleichen Zeitraum stieg die Gesamtzahl der Haushalte in Notunterkünften um 4 Prozent von 13.359 auf 13.945. Insgesamt gab es in Schottland 26.166 Fälle von Obdachlosigkeit, mehr als zweieinhalbmal so viele wie 2002.
Die schottische Regierung brüstet sich damit, dass die Obdachlosigkeit gesunken sei – das ist allerdings angesichts der Zahlen Augenwischerei, denn das Leben in einer Notunterkunft zählt nicht als Obdachlosigkeit. Matt Downie ist der Ansicht, die neuen Zahlen sollten ein „Weckruf“ sein: „Wir wissen, wie schädlich ein längerer Aufenthalt in einer Notunterkunft sein kann, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Man bekommt ein Dach über dem Kopf, aber ein Bed and Breakfast ist kein Zuhause.“
Die schottische Regierung hat als Reaktion auf die Zahlen neue Vorschläge zur Verschärfung des Gesetzes zur Verhinderung von Obdachlosigkeit angekündigt. Die Änderungen würden es den Menschen ermöglichen, früher Unterstützung zu erhalten – bis zu sechs Monate bevor sie von Obdachlosigkeit bedroht sind. Außerdem soll sichergestellt werden, dass niemand eine Einrichtung wie ein Gefängnis oder ein Krankenhaus verlässt, ohne in der Nacht einen Platz zum Schlafen zu haben.
Davon, wie sie Zwangsräumungen aufgrund nicht mehr bezahlbarer Nebenkosten verhindern werde, sagte die schottische Regierung nichts und führt damit ihre eigenen Bemühungen ad absurdum. Wer in diesem Winter Zwangsräumungen nicht verbietet, muss sich nicht darüber wundern, dass es mehr Obdachlose gibt.