Am 4. April bekräftigten die Präsidenten der Russischen Föderation, des Iran und der Türkei in Ankara ihre Absicht, einen dauerhaften Waffenstillstand in Syrien zu erreichen. Die Abschlusserklärung ihres Treffens betonte die Souveränität und territoriale Integrität Syriens, die nicht angetastet werden dürfe.
Der größere Streitpunkt zwischen der Türkei und den anderen Garantiemächten ist Afrin. Die Türkei macht deutlich, dass sie die Kontrolle über Afrin nicht an die syrische Regierung übergeben wird, obwohl die YPG aus Afrin zumindest offiziell vertrieben ist. Während sich Russland zum Thema Afrin völlig bedeckt hält, vertritt Teheran die Position Syriens, verlangt einen Rückzug der türkischen Truppen und ihrer Verbündeten – auch auf dem Treffen in Ankara. Und iranische Medien begrüßen jede Form des Widerstandes gegen das türkische Militär in Afrin. Die Türkei spielte ihrerseits eine wichtige Rolle in den Verhandlungen um den Abzug der Dschihadisten aus Ghouta. Die Gruppen, die von der Türkei unterstützt wurden, zogen nach Idlib im Norden Syriens ab und stehen dort unter dem Schutz der Türkei.
Russland, die Türkei und der Iran sind die Garantiemächte des „Astana-Prozesses“. Die drei Länder sind selbst am Krieg beteiligt – auf unterschiedlichen Seiten. Dennoch ist die Zusammenarbeit der Türkei mit Russland und Iran eng und ohne nach außen sichtbare Brüche.
Die Türkei orientiert – ausgerechnet seit dem Abschuss des russischen Kampfflugzeugs im November 2015 – erfolgreich auf die Zusammenarbeit mit Russland. Doch sie hat die Brücken zu NATO und Europa keineswegs abgebrochen – und somit immer einen Plan B.
Die Garantiemächte haben unterschiedliche Interessen in Syrien – aber gemeinsame Interessen auf anderen Gebieten.
Energie: Russland wird den ersten Atomreaktor der Türkei bauen, ein Projekt im Umfang von 20 Milliarden US-Dollar. Das Atomkraftwerk Akkuyu soll ab 2023 in Betrieb gehen und schließlich mehr als 10 Prozent des Energiebedarfs der Türkei decken. Die Türkei importiert die Hälfte des Erdgases und 30 Prozent der Kohle aus Russland. Das Handelsvolumen zwischen Türkei und Russland betrug 2017 22 Milliarden Dollar.
Verteidigung: der Verkauf des modernsten Raketenabwehrsystems Russlands, der S-400, wird beschleunigt. Ursprünglich sollte die Lieferung 2019 oder 2020 beginnen, nun soll sie 2020 bereits abgeschlossen sein. Gegen den Widerstand der NATO und ihrer Rüstungsindustrie. Das alles liefert Gesprächsstoff für Erdogan und Putin: acht mal trafen sie sich im letzten Jahr.
Auch zwischen Iran und der Türkei bestehen besondere Handelsbeziehungen: Der Handel soll zunehmend in nationalen Währungen abgewickelt werden. Die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Iran verbesserten sich zudem, als Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate 2017 versuchten, Katar zu isolieren. Iran und die Türkei unterstützten gemeinsam Katar.
Der wiederholte Abzug von Dschihadisten nach Idlib und der Angriff auf Afrin machen deutlich, dass die Erklärungen über die Einheit Syriens, wie sie nun auch in Ankara wiederholt wurden, nur verbergen, wie im Hintergrund vor allem die Türkei versucht, ihre Einflusssphären auszuweiten und abzustecken. Sie verfügt mit ihren dschihadistischen Helfern in Idlib über Truppen und Einfluss, der weit über die „offizielle“ Rolle als Garantiemacht hinausgeht.
Souveränität und territoriale Integrität Syriens, die nicht angetastet werden dürfen, sind auch in Ankara vorerst nur Worte auf dem Papier.