Nahles legt Entwurf zur „Lebensleistungsrente“ vor

Nur für Erwerbstätige aus dem Bilderbuch

Von Christine Christofsky

Eine „Solidarische Lebensleistungsrente“ wurde im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Koalition angekündigt, die für Bezieher/innen von Niedriglöhnen eine Verbesserung ihrer Renteneinkünfte versprach. Das Rentenniveau liegt heute bei 47 Prozent. Laut Berechnungen der gesetzlichen Rentenversicherung soll es bis 2030 durch die Politik der Bundesregierung und der Bundestagsmehrheit auf 44 Prozent gesenkt werden.

Eine Erhöhung des Rentenniveaus auf mindestens 50 Prozent forderte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Schon in wenigen Jahren drohe mehr als elf Millionen Menschen die Altersarmut, und zwar nicht nur Minijobbern und Mindestlöhnern, sondern Menschen mit einem monatlichen sozialversicherungspflichtigen Einkommen bis 2 500 Euro.

Andrea Nahles, Bundessozialministerin (SPD), hat jetzt einen Entwurf für eine „Solidarische Lebensleistungsrente“ fertig gestellt. Herausgekommen ist wieder einmal eine „Verarsche“ für alle diejenigen, die keine Berufsleistungsbiografie aus dem Bilderbuch vorlegen können, denn: Nur wer volle 40 Beitragsjahre in der Rentenversicherung vorweisen kann, zudem „private Altersvorsorge“ betrieben hat, kann ab 2023 bei „Bedürftigkeit“ mit einer Rentenaufstockung rechnen. Zudem dürfen die Einkommen von Ehe- und Lebenspartner/innen angerechnet werden.

Das ist nicht nur Stümperei, sondern, grundsätzlich betrachtet, eine Aufweichung der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Hintertür.

Bisher hat es bei der beitragsbezogenen Rentenversicherung aus gutem Grund keine Bedürftigkeitsprüfungen gegeben. Das soll sich nun laut Nahles’ Mogelpackung ändern, zumindest für einen Teil der Versicherten.

Wir kennen das ja schon: Da wird in einer Sozialgesetzgebung eine kleine Öffnung geschaffen, natürlich wie immer aus „guten Gründen“ und „absolut alternativlos“, die dann im Laufe der Zeit immer weiter ausgedehnt wird, bis das ganze Gesetz den Bach hinuntergeht.

Hinzu kommt, dass 40 Jahre Beitragszahlung plus privater Altersvorsorge in unserer heutigen Arbeitswelt mit Zeit- und Leiharbeit, mit Befristungen und „Heuern und Feuern“ von Menschen, für die die „Solidarische Lebensleistungsrente“ gedacht ist, kaum mehr erreichbar sind. Vor allem nicht für Frauen, die durch Familienarbeit fast immer eine durchlöcherte Berufs- und Arbeitsbiografie haben.

Durch eine Bedürftigkeitsprüfung in der Rentenversicherung wird eine neue gigantische Bürokratie installiert, die nicht nur den größeren Teil der für die Lebensleistungsrente vorgesehenen Gelder für sich selbst verschlingt, sondern auch nur ganz wenigen einen Nutzen bringt.

Die Mindestforderung müsste eine Fortführung der Rente nach Mindest­entgeltpunkten sein, wie sie bis 1992 Gültigkeit hatte. Danach werden bei 35 Beitragsjahren (alle rentenrechtlichen Zeiten, auch Arbeitslosigkeit etc. eingeschlossen) Beitragszeiten, die auf Grund niedriger Einkommen weniger als 0,75 Entgeltpunkte ergeben, mit 50 Prozent bis auf den Wert von 0,75 erhöht.

Das heißt, Zeiten mit niedrigen Verdiensten werden mit bis zu 50 Prozent in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgestockt. So lautet die ver.di-Forderung. Würde sie umgesetzt, wären der Altersarmut ein paar Zähne gezogen.

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"Nur für Erwerbstätige aus dem Bilderbuch", UZ vom 10. Juni 2016



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