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Der opportunistische Teil der Sozialdemokratie hatte die Dialektik von internationalem Inhalt und nationaler Form der Arbeiterbewegung aus ihrer Orientierung entfernt. Karl Liebknecht stellt diese Dialektik in seinem berühmten Flugblatt von 1915 wieder in den Mittelpunkt der praktischen Orientierung: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land.“ Im Kampf gegen den Krieg wuchsen neue internationale Kontakte der Kriegsgegner und Revolutionäre: Zunächst die Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal, schließlich die dritte, kommunistische Internationale.
Der Weg zur KPD-Gründung beginnt mit dem Verrat von 1914: Die rechten SPD-Führer hatten den Kriegskrediten zugestimmt und die Arbeiterbewegung dem deutschen Imperialismus untergeordnet. Sie verrieten damit auch, was die internationale Arbeiterbewegung sich als Ziel, Programm und Strategie erarbeitet hatte. Die Aufgabe der Linken, der Revolutionäre in der SPD: In einer neuen Lage, einer neuen Phase des Kapitalismus, sich auf den Marxismus zu besinnen. Nach der Trennung von den Opportunisten, der Gründung der kommunistischen Partei sagte Rosa Luxemburg: „Wir sind wieder bei Marx, unter seinem Banner.“ Die Dokumente, die Stationen auf diesem Weg bilden, stellt „Unsere Zeit“ in vier Teilen dar.
Die Spaltung der früher revolutionären, marxistischen Sozialdemokratie begann lange vor 1914. Neben klassenbewussten Proletariern hatte schon Marx die Existenz von „Stehkragenproletariern“ bemerkt, die den Klassenkampf ihrer in der Fabrik arbeitenden Brüder nicht mehr mittragen wollten. Unter den Bedingungen des Imperialismus konnten mit den erhöhten Profiten der entstehenden Monopole und staatlicher Sozialpolitik entsprechend mehr und größere Teile der Klasse „gekauft“ werden, ihnen ging es materiell besser, eine Arbeiteraristokratie entstand. Gleichzeitig entstand in der wachsenden Arbeiterbewegung, die zum Magneten für kleinbürgerliche Schichten geworden war, eine Arbeiterbürokratie. Die Widerspiegelung der Lebensweise dieser Schichten sorgte politisch für das Aufkommen eines rechten, revisionistischen Flügels innerhalb der Sozialdemokratie. Dieser äußerte sich im Revisionismusstreit um die Thesen des rechten Sozialdemokraten Eduard Bernstein zwischen 1896 und 1899. 1905, in der „Massenstreikdebatte“, wollte der rechte Flügel die gewerkschaftliche Arbeit vom politischen Kampf um eine neue Gesellschaft trennen – während die Linken die Erfahrungen der russischen Revolution von 1905 aufgriffen und den politischen Generalstreik als Kampfmittel nutzen wollten. Am 4. August 1914 stimmten die rechten sozialdemokratischen Führer den Kriegskrediten zu und danach in den nationalistischen Chor mit ein.
Die verhängnisvolle Stunde
Die Politiker des Imperialismus wollten die Arbeiterbewegung schwächen, indem sie die SPD in ihr System integrierten. In der direkten Vorbereitung des 1. Weltkrieges erklärte der Reichskanzler von Bethmann-Hollweg auf einer Sitzung des preußischen Staatsministeriums: „Es müsste der größte Wert darauf gelegt werden, Russland als den schuldigen Teil (am Kriege) hinzustellen.“ Die deutsche Sozialdemokratie war – aus guten Gründen – ein Gegner des russischen Zaren. Bethmann-Hollweg wollte diese antizaristische Haltung aufgreifen, damit die deutsche Arbeiterklasse den deutschen Imperialismus in seinem Kampf gegen den russischen Imperialismus unterstützt – und damit den Krieg der heimischen Imperialisten.
Bethmann-Hollweg tat sich zunächst schwer damit, der Sozialdemokratie Vertrauen entgegenzubringen. Zwischen dem 31. Juli und dem 1. August 1914 schwankte er. Am 1. August traf er sich dann mit dem Hamburger Reeder Albert Ballin, der ihn fragte, warum er es denn mit der Kriegserklärung so eilig habe. „Sonst kriege ich die Sozialdemokraten nicht mit“, antwortete der Reichskanzler – eine schnelle Kriegserklärung konnte er der Öffentlichkeit als erzwungene Reaktion gegen die Gewalt des Zaren präsentieren. Die SPD-Mehrheit bewies, dass sie das Vertrauen der Regierung verdiente. Am 31. Juli 1914 veröffentlichte die Parteipresse den Artikel Friedrich Stampfers: „Wenn die verhängnisvolle Stunde schlägt, werden die Arbeiter das Wort einlösen, das von ihren Vertretern für sie abgegeben ist. Die vaterlandslosen Gesellen werden ihre Pflicht erfüllen und sich darin von den Patrioten in keiner Weise übertreffen lassen. Unsere Fraktion steht bei der Frage der Bewilligung der Kriegskredite vor einer verantwortungsvollen Entscheidung, die ihr durch keine Diskussion erschwert werden darf.“ Die SPD ordnete sich dem „nationalen“ Interesse – also dem des Kapitals – unter, stimmte in den nationalistischen Chor ein und beseitigte dazu auch die innerparteiliche Demokratie.
Neben dem rechten Flügel der SPD standen die Zentristen um Karl Kautsky. Sie taten so, als ob sie die SPD als marxistische Partei erhalten wollten und vertraten praktisch eine Politik der Zusammenarbeit mit den Opportunisten. In der Friedensfrage schlossen sie sich nicht der aggressiven Kriegshetze an – lösten den Friedenskampf aber von den alltäglichen Kämpfen der Klasse und betrachteten ihn als „reine“ demokratische Bewegung, ihr Ziel war dementsprechend eine „reine“ Demokratie. Sie scheuten die öffentliche Auseinandersetzung mit den marschierenden Hurra-Patrioten und hielten Saalveranstaltungen ab. Die Gewerkschaften schluckten das Streikverbot und die Partei den Belagerungszustand.
Kein Burgfrieden
Karl Liebknecht und seine Gruppe von organisierten Linken in der Sozialdemokratie, aber auch die Bremer Linksradikalen vertraten dagegen die Position, dass die Alltagskämpfe der Arbeiterklasse auch im Krieg weitergeführt werden müssten und die wesentliche Orientierung des Friedenskampfes seien. Im Gegensatz zu folgenlosen Friedensresolutionen der Kautskyaner führte diese Orientierung zu praktischen Aktionen gegen den Krieg und schließlich zum ersten Vorzeichen der Revolution von 1918: den Januarstreiks.
Liebknecht hatte am 2. Dezember 1914 als einziger sozialdemokratischer Reichtstagsabgeordneter offen sein „Nein“ zu neuen Kriegskrediten erklärt. Zwar hatten in der Abstimmung in der Reichstagsfraktion mehr Mitglieder gegen die Kredite gestimmt, doch verließen sie den Saal während der Abstimmung oder beugten sich erneut der Fraktionsdisziplin.
Neue Gruppe, alte Partei
In dieser ersten Phase des Krieges richtete sich der Kampf der Linken noch darauf, die SPD als revolutionäre Arbeiterpartei zu erhalten und zu erneuern. Diesen Kampf zeigt die Broschüre „Klassenkampf gegen den Krieg“, die Liebknecht im Frühjahr 1915 veröffentlichte. Hier setzte er sich mit der Parteipresse auseinander und forderte wahrheitsgemäße Berichterstattung statt Totschweigen des Konflikts innerhalb der Partei – während der Parteivorstand die linken Genossen mit Auftritts- und Redeverboten zum Schweigen bringen wollte. Die Broschüre enthält eine Dokumentation der antimilitaristischen Kämpfe und der parlamentarischen Tätigkeit Liebknechts inklusive seines „Nein!“ vom Dezember 1914.
Nach dem Verrat der Parteiführung ging es für die Revolutionäre darum, die weltanschaulichen Grundlagen der Arbeiterpartei erneut klarzumachen. Und es ging darum, eine eigene Organisation zu schaffen – zunächst die „Gruppe Internationale“, aus der schließlich der Spartakusbund wurde. Sie entschieden sich dafür, zunächst innerhalb der SPD um einen anderen Kurs zu kämpfen – eine Entscheidung, die Lenin kritisierte und mit ihm die Bremer Linksradikalen, die nur zu bereit waren, die sozialdemokratische Partei hinter sich zu lassen. Die „Gruppe Internationale“ gab im April 1915 die erste und einzige Nummer der Zeitschrift „Internationale“ heraus.