Bei den Grünen dominieren die, die mit rechts koalieren (wollen)

Nur als Etappe

Von Nina Hager

Eine erneute Regierungsbeteiligung im Bund wäre so schön gewesen. Dann hätte man wieder mitgemischt. Doch die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition scheiterten bekanntlich im November nicht an widerständigen Grünen – schließlich hatte man sich ja mehr als nur kompromissbereit gezeigt –, sondern am „Nein“ von FDP-Chef Lindner. Vielleicht klappt’s aber ja beim nächsten Mal. Auch dafür haben sich die Grünen offenbar am Freitag und Sonnabend der vorigen Woche auf ihrem Parteitag in Hannover unter dem Slogan „… und das ist erst der Anfang“ neu aufgestellt. Gewählt wurden die neuen Parteivorsitzenden und der Vorstand.

Doch zunächst musste am Freitagabend die Satzung geändert werden. Robert Habeck, der sich zur Wahl für die Doppelspitze der Grünen stellen wollte, ist ja Minister für Umweltschutz, Landwirtschaft, Energie und Digitalisierung der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Das wäre er, im Falle einer Wahl, gern noch ein Jahr geblieben. Und so brauchten die Delegierten am Freitagabend lange, ehe sie sich einigten, dass der Kandidat noch acht Monate Minister sein darf. Zum Schluss reichte es für eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Zuvor hatte Habeck jedoch noch gedroht: „Wenn die acht Monate nicht durchkommen, kann ich morgen nicht kandidieren.“ Eine Erpressung. Doch ausgerechnet Jürgen Trittin warb dafür, Habeck die acht Monate zu gewähren: „Wir müssen aufhören so zu tun, als gebe es eine unbefleckte Tätigkeit in der Partei, und alles was Regierung ist, ist falsch oder kompromisslerisch.“

In der „Zeit“ hieß es: „Der Beschluss, die strikte Unvereinbarkeit von Amt und Mandat zu lockern, ist viel mehr als Paragrafenreiterei. Heute sind Grüne Minister mit ganzem Herzen – und Habeck ist dafür das Paradebeispiel.“

Bei der Wahl am Sonnabend setzte sich die in Brandenburg lebende Annalena Baerbock mit 64,5 Prozent der Stimmen gegen die Kandidatin des linken Parteiflügels, die niedersächsische Fraktionschefin Anja Piel, durch. Baerbock und Habeck lösten Simone Peters und Cem Özdemir an der Spitze ab, die nicht wieder kandidierten. Auch hier wurde am Wochenende ein Grundprinzip aufgegeben, angeblich um die „Flügelkämpfe“ in der Partei zu beenden. In „Die Welt“ bewertete Dietmar Bartsch am Montag Habecks Beteuerungen, Kapital und Vermögen müssten härter besteuert werden, als unglaubwürdig: „Man hat in den Sondierungen gesehen, dass nichts von einer stärkeren Besteuerung für Wohlhabende übrig geblieben ist. Im Gegenteil, mit dem Soli-Abbau hätten die Jamaika-Grünen die Bestverdiener am meisten entlastet.“ „Die Grünen hätten spätestens mit der Öffnung für Jamaika und ihrer Einigung mit der CSU gezeigt, dass sie im Kern nicht mehr links sind“, so Bartsch. Aber ist das nicht auch eine Illusion? Waren das nicht immer nur Teile der grünen Partei? Denn wie war es zum Beispiel 1999 mit der Zustimmung grüner Minister wie Joschka Fischer zum Angriffskrieg gegen Jugoslawien, als nur ein Teil der Parteimitglieder mit auf die Straße ging, um gegen den Krieg zu protestieren? Oder im Zusammenhang mit der Agenda 2010, als die Partei im Jahr 2003 Motor war und nicht Bremser bzw. Verhinderer?

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"Nur als Etappe", UZ vom 2. Februar 2018



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