Nach zwei Jahren stellt Gericht die Urteilsbegründung im NSU-Prozess fertig

NSU-Terror: Staatlicher Schlussstrich

Die insgesamt 3.025 Seiten umfassende Begründung des Urteils im Prozess gegen Beate Zschäpe und andere Neonazis wegen der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) wird der Öffentlichkeit vorerst vorenthalten. So beließ es das Oberlandesgericht (OLG) München, an dem der Prozess durchgeführt worden war, in der vergangenen Woche bei der knappen Presseinformation, dass der 6. Strafsenat des OLG „die schriftliche Begründung des am 11. Juli 2018 verkündeten Urteils fertiggestellt“ habe. Das Urteil sei mittlerweile zu den Akten genommen worden und die Zustellung der Urteilsgründe erfolge an die revisionsführenden Verfahrensbeteiligten in Kürze. Von dann an hätten die Revisionsführer „einen Monat ab Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Zeit, die bereits eingelegte Revision zu begründen“, so das Gericht.

Deutliche Worte der Kritik am Vorgehen des Gerichts kommen unterdessen von Vertretern der Nebenklage. So habe der Senat „die ihm zur Verfügung stehende Zeit zur Fertigstellung des Urteils praktisch vollständig ausgeschöpft“, heißt es auf einer von den Rechtsanwälten Alexander Hoffmann und Dr. Björn Elberling betriebenen Internetseite. Zwar sei dieses Vorgehen des Gerichts „natürlich rechtlich zulässig“, habe „aber durchaus problematische Folgen angesichts der beinahe zwei Jahre, die seit der mündlichen Urteilsverkündung vergangen sind, und vor allem vor dem Hintergrund der großen Bedeutung, die dem endgültigen Abschluss des NSU-Strafverfahrens beigemessen werden muss“. „Es entsteht der Eindruck, das Gericht wolle auf diese Weise nochmal betonen, dass es sich bei dem Urteil gegen Zschäpe, Wohlleben, Schultze und Eminger um etwas völlig Alltägliches handelt und der NSU-Komplex eh abgeschlossen ist“, so die Juristen.

Während die Urteilsbegründung der Nebenklage noch nicht vorlag, soll es bereits einzelnen Journalistinnen und Journalisten vorgelegen haben, was die Vertreter der Nebenklage deutlich verärgert. Offiziell dürfen Medienvertreterinnen und -vertreter die Urteilsbegründung anfordern, sobald sie allen am Verfahren beteiligten Parteien zugestellt wurde. Uneingeschränkt daraus zitiert werden darf jedoch aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes keineswegs.

Für die Nebenklagevertreter ist aktuell jedoch die „wichtigste Frage“, wie der Generalbundesanwalt mit seiner Revision gegen den Teilfreispruch des Angeklagten André Eminger weiter vorgeht. „Das Gericht kaufte Eminger, dem überzeugten, gewaltbefürwortenden Neonazi, dem engsten Vertrauten des NSU-Kerntrios, ab, dass er lange Jahre bis 2008 keine Ahnung gehabt habe, was die mit den von ihm besorgten Fahrzeugen und so weiter vorhatten“, kritisieren die Rechtsanwälte auf der von ihnen betriebenen Internetseite.

Während die Generalbundesanwaltschaft einzig in Sachen Eminger in Revision geht, hatten die Verteidiger von Beate Zschäpe, die das Gericht im Juli 2018 zu einer lebenslange Haftstrafe verurteilt hatte, ebenfalls Revision gegen das Urteil eingelegt.

Wie auch immer die einzelnen Revisionsbemühungen ausgehen werden, eines ist schon jetzt klar: Noch immer ist der NSU-Komplex alles andere als aufgeklärt. Weder wurde das faschistische Netzwerk, welches die Morde und Anschläge des NSU-Kerntrios unterstützt hat, zur Verantwortung gezogen. Noch gilt dies für die Schattenmänner in den Inlandsgeheimdiensten der Länder und des Bundes und den Polizeibehörden, die Unterlagen und Aktenbestände vernichtet und die Aufklärung der schweren Verbrechen behindert haben. Auch von dem von der etablierten Politik nach der Selbstenttarnung des NSU wortgewaltig angekündigten entschlossenen Kampf gegen Rechts ist noch immer kaum etwas zu spüren. Es droht, dass die NSU-Akte in naher Zukunft endgültig geschlossen und diese beispiellose rassistische Mordserie weitestgehend unaufgeklärt ad acta gelegt wird.

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"NSU-Terror: Staatlicher Schlussstrich", UZ vom 1. Mai 2020



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