Anfang Oktober legte der Parteivorstand den Gliederungen der DKP den Antrag „Die VR China, ihr Kampf um den Aufbau eines modernen sozialistischen Landes und die Veränderung der internationalen Kräfteverhältnisse“ zur Diskussion vor. Beschlossen werden soll er auf dem 25. Parteitag der DKP im März 2023. Der Antragskommission liegen über 120 Anträge aus 30 Gliederungen der Partei vor. Über 25 Genossinnen und Genossen haben bisher Beiträge für die Diskussionstribüne eingereicht. Wenige Wochen vor dem Parteitag ist es Zeit für eine Zwischenbilanz.
Mit Fragen rund um das Thema China, der Entwicklung der Volksrepublik und den Veränderungen des internationalen Kräfteverhältnisses beschäftigt sich unsere Partei schon seit vielen Jahren. Die Erkenntnisse daraus sind in die Dokumente der letzten Parteitage eingeflossen. Der Antrag des Parteivorstandes ist eingebettet in diesen Diskussionsprozess und hält unseren derzeitigen Erkenntnisstand fest.
Unsere Bildungsarbeit seit dem letzten Parteitag sollte sicherstellen, dass nicht nur Experten, sondern möglichst alle Grundorganisationen an der Debatte teilnehmen können. Insbesondere das Referat „Probleme beim Aufbau des Sozialismus“ der 6. PV-Tagung im Juni 2021 nebst den begleitenden Bildungsmaterialien sollte dies sicherstellen. Denn das Thema verlangt marxistisches Grundlagenwissen. Die Gruppen, die mit den Materialien gearbeitet haben, werteten diese Arbeit als hilfreich und nützlich aus. Allerdings haben viele Gruppen das Thema mit großer Verzögerung angegangen. Gründe dafür waren die Corona-Pandemie, der Kampf gegen das seit Juli 2021 drohende kalte Parteienverbot und das seit Anfang 2022 alles überschattende Thema „Ukraine-Krieg“. Diese Verzögerung zeigt uns auf, wo es Überlastungen und Mängel in unseren Strukturen gibt. Das führte auch im Fall der China-Debatte zu einem ungleichmäßigen Stand – während einige Gruppe schon tief in die Diskussion eingestiegen waren, beginnen andere erst jetzt mit der Auseinandersetzung. Durch den Antrag des Parteivorstandes wurde die Debatte also zusätzlich angeschoben.
Das Ziel, in und mit den Gruppen auf hohem Niveau grundsätzliche Diskussionen zu führen, verfolgen wir weiter. Auf dem Weg dahin sind dicke Bretter zu bohren.
Selbstkritisch muss festgehalten werden, dass der Antrag eine Begründung gebraucht hätte, die der Partei seine Notwendigkeit, seine Entstehungsgeschichte und Einordnung sowie seinen Aufbau näher erläutert hätte. Dadurch wären möglicherweise einige falsche Interpretationen vermieden worden. Ärgerlich ist der handwerkliche Fehler einer Wiederholung, die bei einigen Genossinnen und Genossen zur Vermutung geführt hat, dass das Sozialismusverständnis der DKP verändert werden solle. Ab Zeile 65 des Antrages formulieren die Autoren: „Die Aufgabe des Sozialismus ist es, die Produktivkräfte derart voranzutreiben, dass die Menschheit die Klassengesellschaft, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, überwinden kann. Voraussetzung dafür ist die Hegemonie der Arbeiterklasse als dialektische Einheit von ideologischer Führung der Gesellschaft und politischer Herrschaft über die Bourgeoisie.“ Zu diesem Absatz wurden keinerlei Anträge aus der Partei gestellt. In Zeile 99 wird die Aufgabe der Produktivkraftentwicklung verkürzt wiederholt. Das ist sowohl unnötig und hat zusätzlich zu Irritationen geführt. Hier gibt es mehrere Änderungsanträge.
Der theoretische Teil des Antrages fasst Positionen des Referats „Probleme beim Aufbau des Sozialismus“ zusammen. Herausgearbeitet werden in diesem auf Grundlage der Klassiker und der historischen Erfahrungen zwei zentrale Notwendigkeiten: der Erhalt der politischen Macht der Arbeiterklasse und die Aufgabe, die Lücke in der Produktivkraftentwicklung zu den entwickelten kapitalistischen Ländern zu schließen. Zur Lösung dieser Fragen haben die Kommunistischen Parteien unterschiedliche Ansätze gewählt. Diese haben zu neuen Widersprüchen geführt. Fehlentscheidungen im europäischen Sozialismus wirkten sich negativ auf die ökonomische Entwicklung aus, führten zur Verschlechterung der Lebenssituation der Völker und schließlich zur Trennung zwischen Werktätigen und Kommunistischen Parteien. Dieser Prozess des Suchens hat in der Sowjetunion über 70 Jahre gedauert. Er erweist sich damit als deutlich langwieriger, als es die Klassiker vermutet haben. Das spricht dafür, dass der Sozialismus als Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus Generationen bedarf und damit ein relativ eigenständiger Kampfabschnitt ist.
Die Debatte um unser Sozialismusverständnis und auch die Analyse der Niederlage des Sozialismus in Europa haben wir in den letzten Jahren vernachlässigt – auch das macht die China-Debatte deutlich. Hier müssen wir die Diskussion wieder aufnehmen und Mittel und Wege finden, wie wir sie in der gesamten Partei einheitlich führen können.
Ein weiterer grundsätzlicher Diskussionspunkt, der mit der China-Debatte aufgeworfen wurde, ist die Einschätzung des Imperialismus. Wie hat sich das imperialistische System nach zwei Weltkriegen, der Systemkonkurrenz mit dem Sozialismus, Konterrevolution und Wiederaufstieg Chinas weiterentwickelt? Diese Fragen werden auch in der internationalen kommunistischen Bewegung diskutiert. Einige unserer Schwesterparteien schätzen dabei ein, dass es Entwicklungen im imperialistischen System gegeben habe, die dazu führten, dass es keine koloniale Abhängigkeit mehr gebe, sondern die Staaten zwar asymmetrisch, aber dennoch voneinander abhängig wären, der Kolonialismus also keine Rolle mehr spiele. Die DKP schätzt ein, dass das System des Neokolonialismus weiterhin fester Bestandteil des imperialistischen Systems ist und die Politik der USA und ihrer NATO-Verbündeten nicht richtig zu verstehen ist, wenn man sie nicht als Versuche der nationalen Unterdrückung und Ausplünderung anderer Länder analysiert. In dieser Frage besteht, unabhängig von unterschiedlichen Einschätzungen der VR China, große Einigkeit in unserer Partei. Ebenso in der Einschätzung, dass es Aufgabe der Kommunistinnen und Kommunisten ist, der wachsenden Gefahr eines Krieges der USA und NATO gegen China entgegenzutreten.
Diese Einigkeit sichert unser geschlossenes Eingreifen in die politische Auseinandersetzung.
Diese Einigkeit ist die Basis, uns mit der dynamischen Entwicklung der VR China und den internationalen Kräfteverhältnissen zu befassen und unseren Analysestand festzuhalten. Das ist nötig, da der internationale Klassenkampf entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung unserer Strategie im Kampf gegen den deutschen Imperialismus hat.
Den Antrag auf dem Parteitag zu beschließen markiert einen wichtigen Zwischenstand dieser Strategieentwicklung.
UZ-Extra zur China-Debatte
Auszug aus Beat Schneider „Chinas langer Marsch in die Moderne“
Debattenbeiträge