Noch eine Steuer

Winfried Wolf • Die Forderung nach einer CO2-Steuer geht in die falsche Richtung

Winfried Wolf

Winfried Wolf

( 2014 by Schattenblick)

Jetzt ist die Forderung also bei der großen Politik angekommen: 20 Finanzminister aus unterschiedlichen Staaten – unter ihnen diejenigen aus Deutschland, Frankreich, Schweden, Großbritannien, Spanien und einigen südamerikanischen und afrikanischen Ländern – erklärten am Rande einer Tagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds, eine „nationale Koalition für Klimaschutz“ bilden zu wollen. Im Zentrum soll dabei eine „Bepreisung des klimaschädlichen Kohlendioxids“ stehen. Auch Angela Merkel kann sich „eine CO2-Steuer gut vorstellen.“ Die Grünen fordern Vergleichbares. Und auch ein Teil der „Fridays for Future“-Bewegung erhebt diese Forderung.

Trotz dieser größtmöglichen CO2-Steuer-Koalition bleibt diese Forderung falsch. Dies aus drei Gründen. Erstens handelt es sich erneut um eine allgemeine Steuer, die alle formal gleich, also die Mehrheit der Bevölkerung deutlich belasten, die Armen sehr hart treffen und die Reichen zum Griff in die Portokasse veranlassen wird. Zweitens ist dies erneut eine End-of-the-pipe-Maßnahme: Man gestattet ausufernde Produktionen und Dienstleistungen mit hohen Kohlendioxid-Emissionen, um am Ende davon einen Teil wieder durch „Bepreisung“ zu reduzieren. Die eigentlichen Verursacher der Klimaschädigung werden erst gar nicht ins Visier genommen (und erst recht nicht zur Kasse gebeten). Drittens bleibt es damit bei der vielfachen steuerlichen Förderung von Produktionen und Dienstleistungen, die mit hohen CO2-Emissionen verbunden sind. So wird Kerosin im Flugverkehr und das Schweröl in der Seeschiffahrt nicht besteuert. Das Resultat ist die Explosion der Billigflüge und die Schaffung immer absurderer globaler Arbeitsteilungen bei gleichzeitigem Ruin für regionale Wirtschaftsstrukturen. So gibt es in vielen Ländern – besonders ausgeprägt in Deutschland – ein Dienstwagenprivileg: die steuerliche Förderung von – in der Regel großen und schweren – Geschäftswagen, die inzwischen hierzulande gut zwei Drittel aller Neuzulassungen von Pkw deutscher Hersteller ausmachen.

Hier kommt die Förderung der Elektro-Pkw ins Spiel. Diejenigen, die eine CO2-Steuer einführen wollen, propagieren so gut wie unisono „Elektromobilität“ als Mittel, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Dafür werden jährlich Dutzende Milliarden Euro ausgegeben. Sollte es wirklich – was der Traum der Elektroauto-Enthusiasten ist – bis 2025 zu rund 120 Millionen Elektro-Pkw im Welt-Pkw-Bestand kommen, so dürften sich die Steuersubventionen (u. a. für den Aufbau der erforderlichen Ladestrukturen) auf viele Hundert Milliarden Euro addiert haben.

Diese vielgerühmte „Elektromobilität“ wird dazu beitragen, die dem Straßenverkehr zuzurechnenden Kohlendioxidemissionen um bis zu 35 Prozent zu steigern. Wie das? Die Rechnung ist schlicht und überzeugend. Heute gibt es weltweit knapp eine Milliarde Pkw (davon weniger als 0,5 Prozent Elektro­autos). Dieser Bestand wächst derzeit jährlich um gut 75 Millionen – und zwar zu mehr als 90 Prozent mit Pkw mit herkömmlichem Antrieb. 2025 haben wir dann einen Welt-Pkw-Bestand von rund gut 1,4 Milliarden. Ein Teil davon, maximal 120 Millionen, werden Elektro-Pkw sein. Es gibt dann 30 Prozent mehr CO2, die von herkömmlichen Pkw stammen. Und als schmutziges Sahnehäubchen oben drauf noch die CO2-Emissionen, die der Produktion und dem Einsatz von Elektro-Pkw zuzuordnen sind. Selbst wenn beim Vergleich Benzin-Pkw mit Elektro-Pkw der Letztgenannte 30 Prozent weniger CO2 emittieren sollte (und dies ist bereits ein unrealistisch hoher Einsparungswert), sind es eben doch zusätzliche Kohlendioxidemissionen.

Das wird sich auch grundsätzlich nicht ändern. Elektro-Pkw sind schlicht ein zusätzliches Element der auf das Auto konzentrierten Transportorganisation. Es sind zu 60 Prozent Zweitwagen. Es handelt sich zu 90 Prozent um ein Mobilitätsmittel für die gehobene Mittelschicht mit Eigenheim, Garage, Wallbox und Zeitschalter für das nächtliche „intelligente Laden“.

Wer die Klimakatastrophe aufhalten und für „All days for future“ kämpfen will, der muss den Wachstumszwang und die Profitmaximierung der bestehenden Wirtschaftsweise in Frage stellen. Also system change.

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"Noch eine Steuer", UZ vom 18. April 2019



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