Als Nancy Pelosi ihren Taiwan-Auftritt inszenierte, drohte der EU-Botschafter in China Sanktionen gegen die Volksrepublik an, sollte sie gegen den Besuch vorgehen. Seit Trump Sanktionen gegen chinesische High-Tech-Firmen wie Huawei und ZTE verhängte, wird in der US-Bourgeoisie über eine „Entkoppelung“ von Chinas Wirtschaft diskutiert. In Brüssel profiliert sich Dr. Reinhard Bütikofer, Ex-Maoist und Grüner, im Verein mit CDUlern und anderen rechten Scharfmachern als Warner vor „zu starker Abhängigkeit“ der Wirtschaft von China. Die „Abhängigkeit von China“ zu reduzieren, ist auch erklärtes Anliegen des Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour. Annalena Baerbock rief während der Pelosi-Reise laut danach, Taiwan gegen China zu helfen. Wie? Mit Sanktionen natürlich! Regierende Thinktank-Zöglinge sehen in der „Sanktionsfähigkeit“ der EU den Ausweis für ihren Großmachtstatus.
Sanktionen lösen keine Konflikte. Allenfalls bestärken sie Selbstgerechtigkeit und Allmachtgefühle. Dummerweise sind sie auch noch zweischneidig. So wirken die Sanktionen gegen Russland anders als ihre Erfinder sich das wünschten. Statt Unruhe in Russland schüren sie in Deutschland die Angst vor Gasknappheit und Kälte im Winter. Propagiert wird, neben der (vorübergehenden) Rückkehr zur Kohle, der nun doppelt beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren. Doch käme jetzt noch ein Sanktionskrieg gegen China, wäre das vorerst das Ende der Energiewende. Während die bisherige Abhängigkeit vom russischen Gas 55 Prozent beträgt, beziehen wir Solarmodule zu 90 Prozent aus China. Eins bewirken die Ankündigungen sofort: Engpässe und mit ihnen begründete Preissteigerungen, die vor allem Lohnabhängige treffen.
Die Ampel folgt Vorgaben aus den USA. Noch 2019 betonte der BDI im Positionspapier zum Umgang mit China: „Ein generelles ‚Containment‘ Chinas oder ‚de-coupling‘ (in den USA wird unter diesem Begriff die wirtschaftliche Entflechtung mit China diskutiert) ist keine Option; die deutsche Industrie setzt auf Austausch und Kooperation.“ Ist das, so wie Nord Stream 2, Schnee von gestern? Folgt dem neuen Eisernen Vorhang zwischen Westeuropa und Russland jetzt noch die zunehmende Abschottung gegen China? Das eine wie das andere schadet der exportabhängigen deutschen Wirtschaft. Den ökonomischen Abstieg des gesamten Westens hält es nicht auf, gestaltet ihn aber für die USA glimpflicher als für Deutschland und die EU.
Die internationale Vergesellschaftung der Produktion (Globalisierung) ist eine Tendenz der Produktivkraftentwicklung. Im Kapitalismus stößt sie an Schranken. Zum Wesen des Kapitalismus gehören die private Aneignung der Ergebnisse gesellschaftlicher Produktion, Konkurrenz und Expansionsdrang. Internationale Verflechtung macht die Kooperation und Koordination zwischen Staaten zum objektiven Erfordernis. Das erhöht die Kosten und die Hemmschwelle für Aggressionsakte, ohne die Ursachen der Rivalität aufzuheben. Seit der Finanzkrise 2008 verlor die Globalisierung an Tempo. Lieferkettenprobleme in der Corona-Krise förderten eine gewisse Renationalisierung. Vom Hegemonieanspruch, den Sanktionen und Wirtschaftskriegen der USA geht die Gefahr einer Fraktionierung der Weltwirtschaft in feindliche Blöcke aus.
Von Bidens Präsidentschaft erhofften sich die deutsche Bourgeoisie, ihre Medien und ihr politisches Gefolge die Revitalisierung des transatlantischen Bündnisses und der globalen Führungsrolle des Westens. Real zeigen die Russland-Sanktionen, dass der Einfluss des Westens abnimmt. Als transatlantische Einheit wird gefeiert, dass die geschwächte EU sich den USA stramm unterordnet. Die NATO hat das Afghanistandebakel kaum verdaut und steht vor einer kollektiven Niederlage in der Ukraine. Die BRICS erfahren zurzeit starken Zulauf. Die multipolare Weltordnung formt sich.