Bundesregierung will Besserverdiener geringer besteuern

Nix für Normalverdiener

Wenn Neoliberale von Steuersenkungen sprechen, meinen sie in der Regel finanzielle Geschenke für die, die ohnehin schon viel haben. Dies gilt auch für die jüngsten auf Initiative von Finanzminister Christian Lindner für 2025 geplanten Steuerpläne der Ampel.

Konkret soll der Grundfreibetrag erhöht sowie die Eckwerte der Einkommensteuer und die Freigrenze des Solidaritätsbeitrags angehoben werden. Begründet wird dies mit der sogenannten kalten Progression. Diese besteht dann, wenn Beschäftigte Lohnerhöhungen bekommen, die unterhalb der Teuerung bleiben, und dennoch höhere Steuersätze zahlen müssen.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ist vom Vorhaben der Ampelregierung begeistert. Mit den von Bundesfinanzminister Christian Lindner geplanten Steuersenkungen für 2025 werde eine vollständige Kompensation der kalten Progression über die gesamte vierjährige Legislaturperiode erreicht, heißt es in einer in der vergangenen Woche vorgestellten Studie. Dass von den Plänen aus dem Berliner Finanzministerium vor allem Menschen mit hohem Einkommen profitieren, erwähnt das IW nicht.

Nach einer ebenfalls in der vergangenen Woche vorgestellten Untersuchung der Bremer Arbeitnehmerkammer werden Singles mit einem Einkommen ab 7.500 Euro brutto im Monat so um rund 500 Euro im Jahr entlastet. Gutverdienende Familien mit zwei Kindern und einem Monatsverdienst von 8.000 Euro werden um 400 Euro im Jahr entlastet. Hingegen kommen Normalverdiener mit einem Einkommen von 2.000 bis 5.000 Euro gerade einmal auf rund 100 bis maximal 300 Euro Entlastung.

Auch das Vorhaben, nur den Kinderfreibetrag zu erhöhen, nicht aber das Kindergeld, hilft vor allem Gutverdienern, da sich der Freibetrag erst ab einem monatlichen Bruttoeinkommen von etwa 8.000 Euro lohnt. Familien, die den Freibetrag nutzen, können dann pro Kind bis zu 1.529 Euro mehr Entlastung erhalten als jene, die nur Kindergeld beziehen, so die Bremer Studie.

Aus dem Finanzministerium heißt es hierzu lapidar: „Menschen mit höherem Einkommen zahlen aufgrund des progressiven Steuertarifs höhere Steuern. Diese höhere Steuerbelastung darf bei der Frage, wer stärker entlastet wird, nicht unberücksichtigt bleiben.“ Auch hier werden Informationen in der Argumentation unterschlagen. Dazu gehört, dass von der Inflation nicht alle im gleichen Maße betroffen sind. So stehen nach Daten des Inflationsmonitors des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung Familien mit zwei Kindern und einem Nettoeinkommen von 3.000 Euro im Monat im Vergleich zu 2021 etwa 260 Euro und Alleinerziehenden mit gleichem Monatseinkommen 320 Euro weniger zur Verfügung. Bei Gutverdienern wird hingegen die kalte Progression inklusive Sozialversicherungsbeiträge überkompensiert. In der Folge haben sie sogar mehr Kaufkraft als vor der Krise. Und genau diese Gruppe soll nun durch Pläne der Ampel weiter entlastet werden.

Kritik kommt vom DGB: „Die Ampel biegt in die falsche Richtung ab. Für die Kindergrundsicherung für Familien mit kleinen Einkommen haben sie kein Geld, verteilen aber jetzt mit höheren Freibeträgen Geld an Besserverdienende. Man fragt sich, wie Finanzminister Lindner das ärmeren Familien erklären will“, so der gewerkschaftliche Dachverband. Und die Arbeitnehmerkammer Bremen hat ein Gegenmodell entwickelt, bei dem die Anhebung der Eckwerte der Einkommensteuer und der Freigrenze des Solidaritätsbeitrags wegfallen würden. Dafür aber würden Normalverdiener mit 2.000 bis 5.000 Euro brutto im Monat mit 700 bis 900 Euro im Jahr entlastet.

Die sich „Bund der Steuerzahler“ nennende Lobbyorganisation ist angesichts solcher Konzepte entsetzt und warnt die Koalitionspartner davor, Gutverdienern die geplante Kompensation der kalten Progression vorzuenthalten. „Wenn SPD und Grüne die kalte Progression für die oberen Einkommensbezieher nicht abbauen wollen, sind sie in Wahrheit für Steuererhöhungen“, so deren Präsident Rainer Holznagel. Man darf nun gespannt sein, wie sich die Abgeordneten der beiden Parteien – nicht zuletzt vor dem Hintergrund desaströser Wahlergebnisse – verhalten werden, wenn die Steuerpläne im Bundestag und Bundesrat final beraten werden.

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"Nix für Normalverdiener", UZ vom 27. September 2024



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