Neokolonialer Angriffskrieg unter ECOWAS-Deckmantel wird den Lauf der Geschichte nicht aufhalten

Niger folgt Mali und Burkina Faso

Während des Russland-Afrika-Gipfels in Sankt Petersburg setzten Militärs in Niger den 2021 gewählten Präsidenten Bazoum ab. Zur Begründung verwiesen sie auf die schlechte Sicherheitslage des von islamistischen Gruppen attackierten Landes und „wirtschaftliche und soziale Inkompetenz“ der Regierung. Anschließend strömten Tausende auf die Straßen Niameys und anderer Städte, um die Militärregierung zu unterstützen. Plakate „Nieder mit Frankreich“, auch russische Fahnen, wurden geschwenkt. Am 63. Jahrestag der Unabhängigkeit mobilisierte das zivilgesellschaftliche Bündnis M62, das 2022 gegen Benzinpreiserhöhungen und die französische Militärpräsenz gebildet wurde, erneut Zehntausende zur Demonstration gegen neokoloniale Ausbeutung und für die Souveränität Nigers.

Nigers jüngste Entwicklung folgt einem Muster, wie es seit 2020 auch in Mali, Guinea und Burkina Faso zu sehen war. Die Völker der früheren Kolonie Französisch-Westafrika erlangten politische Unabhängigkeit im Tausch gegen ökonomische Knebelverträge mit der Kolonialmacht, die eine eigenständige ökonomische Entwicklung behinderten. Frankreich und der Westen werden darüber hinaus verdächtigt, islamistische Terrorgruppen nicht wirklich zu bekämpfen, um einen Vorwand zu behalten, mit Militär im Lande zu bleiben. In den Bevölkerungen wachsen antifranzösische und antiwestliche Stimmungen: zum einen, weil die Sicherheitslage sich nicht verbessert; zum anderen, weil die ökonomisch-soziale Entwicklung der Länder nicht ihren objektiven Möglichkeiten entspricht.

„Meine Generation versteht nicht, warum das ressourcenreiche Afrika die ärmste Region der Welt bleibt“, formulierte Burkina Fasos junger Staatschef Ibrahim Traoré auf dem Russland-Afrika Gipfel. In den Fußstapfen Thomas Sankaras, verbündet mit Kuba, Russland, Venezuela und Nicaragua, strebt er nach Überwindung neokolonialer Abhängigkeit und Armut. Gleiches gilt für Malis Staatschef Assimi Goïta. Als Alternative zur westlichen Militärpräsenz heuerten die Zentralafrikanische Republik und Mali russische Wagner-Söldner an. Französische Armee und Bundeswehr zogen sich aus Mali nach Niger zurück.

1.000 US-Soldaten, 1.500 französische, 100 Bundeswehrsoldaten sind in Niger. Merkel vereinbarte mit Nigers Regierung, sie solle Migranten am Durchzug nach Europa hindern. Vor allem Frankreich, das eine Menge Uran für seine 54 Atomkraftwerke aus Niger bezieht, sieht seine Interessen durch den Umsturz bedroht. Die Militärregierung stoppte Uranlieferungen und forderte Frankreich zum Abzug seiner Truppen auf. Macron denkt nicht an Abzug. Die Regierung sei ja illegitim. USA, Frankreich und EU verhängten umgehend Sanktionen gegen das drittärmste Land der Welt. Sie stellten sich hinter ein Ultimatum der ECOWAS (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft), die den Militärs Gewalt androht, sollten sie Bazoum und seine Regierung nicht wieder ins Amt setzen.

Für große US- und EU-Medien ist das Ganze „ein schwerer Rückschlag für die Demokratie“ („Tagesanzeiger“, 28. Juli), die die „zivilisierten“ Mächte den Afrikanern beibringen wollen. Dagegen sehen viele afrikanische Blogger die Eliten in den nach dem Vorbild der Kolonialmächte aufgebauten parlamentarischen Apparaten als hochgradig anfällig für Druck und Bestechung an. Von fortschrittlichen Militärs erhoffen sie, dass sie weniger leicht durch Konzerne und reiche Länder kontrollierbar sind. Erfahrungen mit Armut, Kolonialismus, Rassismus, Diskriminierung machen sie weniger naiv als hiesige Mittelschichtangehörige.

Die Gefahr eines Angriffskriegs der ECOWAS (unterstützt vom Westen) gegen Niger (unterstützt von Mali, Guinea, Burkina Faso und Wagner) ist nicht vom Tisch. Er könnte sich ausweiten und verheerende Folgen haben. Die internationalen Kräfteverhältnisse sind heute aber so, dass die Bewegung gegen Neokolonialismus in Afrika nicht mehr aufzuhalten ist.

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"Niger folgt Mali und Burkina Faso", UZ vom 11. August 2023



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