Während die Konzerne immer mehr am Krieg verdienten, wurden die Lebensbedingungen für die Mehrheit der Menschen schon im 2. Halbjahr 1914 und Anfang 1915 immer schwieriger. Ein Kilo Brot kostete beispielsweise im April 1915 in der Stadt Erfurt 0,50 Mark – ein Jahr zuvor waren es noch 0,24 Mark, 1 kg Graupen kostete 1,10 Mark (0,52 Mark 1914).
Zwischen August 1914 und Mitte 1916 gab es nur vereinzelte und lokale Streiks, die sich gegen Lohn- und Arbeitsbedingungen, nicht aber gegen den Krieg richteten. Aber bereits im März und April 1915 protestieren Hunderte Frauen vor dem Reichstag in Berlin gegen Teuerung, gegen die Regierung und gegen den Krieg.
Am 1. Mai 1916 forderte Karl Liebknecht vor 20000 Arbeiterinnen und Arbeitern auf dem Potsdamer Platz in Berlin: „Nieder mit dem Krieg – nieder mit der Regierung!“ – Das war die erste große Antikriegskundgebung in Deutschland.
Liebknecht wurde verhaftet und vor ein Militärgericht gestellt. Arbeiterinnen und Arbeiter reagierten mit Protestaktionen und Streiks.
Im Juni 1916 kam es in Deutschland zur ersten großen Streikbewegung in Kriegszeiten.
In Bremen demonstrierten am Abend des 26. Juni Tausende gegen eine Verurteilung Liebknechts. In Braunschweig streikten am 27. Juni rund 8 000 ArbeiterInnen, darunter alle großen Betriebe. Fast in der ganzen Stadt ruhte die Arbeit. In Bremen, Stuttgart und anderen Städten gab es Protestdemonstrationen. Am 27. Juni 1916 demonstrierten in Berlin auf Initiative des Spartakus-Bundes 25000.
Am 28. Juni 1916, am Tag des Prozessbeginns, streikten 55000 ArbeiterInnen in den größten Rüstungsbetrieben Berlins für die Freilassung Karl Liebknechts. Das war der erste politische Massenstreik, den es jemals in Deutschland gegeben hatte. Er fand statt, obgleich die rechten Führungen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften alles versucht hatten, Streiks zu verhindern. In einer Mitteilung der Spartakusgruppe heißt es: „Die felsenfesten Theorien der Gewerkschaftsbeamten, ihre jahrzehntelange Dressur – wo sind sie? Im Nu zerstoben vor dem ruhigen Entschluss von 55 Tausend Proletariern. Die Berliner und die Braunschweiger Metallarbeiter haben dem ganzen deutschen Proletariat vorbildlich gezeigt, wie man über die korrumpierte ‚Führerschaft‘ der Cohen und der Scheidemann im entscheidenden Moment zur Tagesordnung übergeht. Sie haben zugleich der Regierung gezeigt, dass sie nicht länger als willenlose Sklaven ihre Arbeitskraft für die Zwecke des Imperialismus missbrauchen lassen.“
In zwei gemeinsamen Aufrufen (Juli und September 1916) wandten sich rechte SPD-Führung und Gewerkschaftsführer gegen das „Treiben der im Dunkel der Anonymität wirkenden Protest- und Generalstreikapostel“. Politische Streiks seien nicht „erlaubt“. Gemäß einer Vereinbarung aus dem Jahr 1906 sei es nämlich so, „dass bei politischen Massenaktionen vorher eine Verständigung und Beratung mit dem Vorstand der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaftskommission der Gewerkschaften Deutschlands erfolgen muss“ (Aufruf vom 25.7.1916). Die Einstellung der Arbeit, hieß es im Aufruf vom 18. September, sei „schon in friedlichen Zeiten“ so eine Sache. Aber jetzt, im Krieg, da heiße es „durchzuhalten“, gehe Streik gar nicht. Die Arbeiter wurden aufgefordert, die „geheimnisvollen Flugblattschreiber“ zu denunzieren.
Im Dezember 1916 erließ die deutsche Regierung das sogenannte „Vaterländische Hilfsdienstgesetz“. Diesem Gesetz zur Zwangsarbeitspflicht aller männlichen Einwohner vom 17. bis zum 60. Lebensjahr stimmten die rechte Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsführer zu. Durch totale Mobilmachung sollte der Krieg zugunsten Deutschlands und seiner Verbündeten entschieden werden. Die Spartakusgruppe wandte sich gegen das Hilfsdienstgesetz. In einem Flugblatt hieß es u. a.: „Diese Aufhebung der Freizügigkeit, der Arbeitswahl, des Streikrechts – das ist die Kasernierung des ganzen deutschen Proletariats vom 17. bis 60. Jahr, die Einführung des mittelalterlichen Frondienstes, der Zwangsarbeit, des Zuchthauses.“
Doch all die Versuche, die Bewegung gegen den Krieg einzudämmen, die Aktivistinnen und Aktivisten zu kriminalisieren, mit Zwang die Arbeiterproteste zu verhindern nutzten nichts. Im April 1917 – nach einem Hungerwinter („Steckrübenwinter“) – kam es in Deutschland zu einer Welle von neuen Aktionen gegen die mangelnde Lebensmittelversorgung. Ein Generalstreik wurde vorbereitet. Unmittelbarer Anlass waren die zum 15. April angekündigten Kürzungen der Brot- und Milchrationen. Eine halbe Million Arbeiterinnen und Arbeiter trat in den Streik. Am 16. April demonstrierten allein in Berlin 300000. Neben der Forderung nach Brot hörte man immer wieder die Forderung nach der sofortigen Beendigung des Krieges und nach demokratischen Rechten.
Im Berliner Bremsenwerk wurde damals der erste Arbeiterrat in Deutschland gegründet.
Quelle: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 2, Berlin 1966