Zu „Den Hauptfeind im Blick halten“, UZ vom 9. Juni

Nichts gelernt?

Ulrich Sander, Dortmund

Im Mai 1915 gab Karl Liebknecht ein Flugblatt heraus mit folgendem Appell: „Ein Ende dem Völkermord! Proletarier aller Länder. Vereinigt euch zum internationalen Klassenkampf gegen die Verschwörungen der Geheimdiplomatie, gegen den Imperialismus, gegen den Krieg, für einen Frieden im sozialistischen Geist. Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“
Das war eindeutig: Das Proletariat eines jeden Landes sollte nicht das Feindbild annehmen, das ihm die Herrschenden vorgaben. In Deutschland waren dies vor allem der „Erbfeind“ Frankreich und das „unzivilisierte“ Russland. Zu Russland hatte der SPD-Führer August Bebel Jahre zuvor (1907 auf dem Parteitag in Essen) gesagt, „dass er in einem Krieg mit dem barbarischen Russland jederzeit die Flinte auf den Buckel nehmen würde“.

In der UZ wurde nun dem Begriff vom Hauptfeind ganz jene Bedeutung genommen, die Liebknecht ihm gab. Wir als deutsche Arbeiterbewegung sollen nicht den deutschen Imperialismus als Hauptfeind sehen, also das imperialistische System, sondern innerhalb dieses Systems den Fokus auf den Kampf gegen die Regierenden, die Ampel richten. Das ging schon einmal schief und die Folgen waren verheerend, als die KPD zeitweilig vor 1933 den Hauptfeind im „Sozialfaschismus“ der SPD sah. Und nun also gegen eine Art Ampel-Faschismus? Haben wir nichts gelernt?

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"Nichts gelernt?", UZ vom 16. Juni 2023



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