„Wir haben gesehen, dass China sehr intensive Handelsbeziehungen mit den lateinamerikanischen Ländern aufbaut.“ Diese Bilanz zog Kanzlerin Merkel auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel, der am 11. Juni in Brüssel zu Ende ging. Europa dürfe nicht noch weiter zurückfallen, so Merkel.
Vermutungen, die EU werde in Lateinamerika gegenüber China in den kommenden Jahren weiter an Einfluss verlieren, sind durchaus realistisch. Zusammengenommen sind die EU-Staaten traditionell stets der zweitgrößte Handelspartner Lateinamerikas nach den USA, zuletzt auch der größte Investor auf dem Subkontinent gewesen. Gegenüber Beijing aber fallen sie klar zurück. Der Außenhandel Lateinamerikas mit China ist von 2000 bis 2013 um den Faktor 22 auf 275 Milliarden US-Dollar gestiegen und wächst weiter; in absehbarer Zeit wird er sogar den US-amerikanisch-lateinamerikanischen Handel übertreffen. Zwar liegt die Volksrepublik bei den Investitionen noch deutlich zurück; jedoch hat Staatspräsident Xi Jinping im Januar angekündigt, chinesische Unternehmen wollten in den kommenden zehn Jahren 250 Milliarden US-Dollar in Lateinamerika investieren. Bei der Kreditvergabe liegt Beijing in Lateinamerika einer neuen Untersuchung zufolge schon jetzt vor den USA.
Um seine Positionen in Lateinamerika zu stärken, baut Deutschland gegenwärtig insbesondere die Beziehungen zu Mexiko aus. Am 8. und 9. Juni hatte erstmals die deutsch-mexikanische „Binationale Kommission“ in Berlin getagt. Mexiko ist traditionell – mit Brasilien – einer der zwei bedeutendsten Wirtschaftsstandorte der Bundesrepublik in Lateinamerika.
Mexiko hat eine Vielzahl von Freihandelsabkommen geschlossen – unter anderem das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, das Ausfuhren in die USA begünstigt und das Land als US-Billiglohnstandort schlechthin qualifiziert. Wer auf dem US-Markt konkurrieren will, kann seine Produktionsstätten in Mexiko errichten – und von „niedrigen Produktionskosten“ sowie einem „recht geringen Regulierungsgrad“ profitieren, wie das Bundeswirtschaftsministerium schreibt.
Während Mexikos Wirtschaft insgesamt zuletzt etwas schwächelte, verzeichnen Auslandsinvestitionen in dem Land seit einigen Jahren einen Boom. „Mexikanische Arbeiter“ seien „mit aktuell 6,50 Dollar nur noch einen halben Dollar pro Stunde teurer als ihre chinesischen Kollegen“, hieß es im letzten Sommer in der deutschen Wirtschaftspresse; mit dem Anstieg der Einkommen in China gewännen andere Billiglohnstandorte an Attraktivität – darunter Mexiko. Vor allem die Automobilindustrie investiert dort zur Zeit Milliarden; die Zulieferer folgen auf dem Fuß.
Mexiko gilt zudem als wichtiger politischer Kooperationspartner: Es gehört der „Pazifik-Allianz“ an, einem Bündnis von inzwischen fünf Staaten Lateinamerikas, die – klar neoliberal-prowestlich orientiert – enge Wirtschaftsbeziehungen nach Ostasien und in die Pazifik-Region haben. Sie gelten dabei als Verbündete von USA und EU im Einflusskampf gegen China.