Auch die vierte Verhandlungsrunde in der Tarifauseinandersetzung bei VW endete am vergangenen Montag ergebnislos. Alles andere wäre eine große Überraschung gewesen. Schon bei der Betriebsversammlung im Wolfsburger Stammwerk vier Tage zuvor zeigte die Konzernspitze keinerlei Bereitschaft, den Beschäftigten auch nur einen Zentimeter entgegenzukommen. Stattdessen hielt man unbeirrt am neoliberalen Dreiklang fest: Werkschließungen, Personalabbau, Lohnraub.
Man arbeite schließlich nicht in einer „Wünsch-dir-was-Welt“, verteidigte Vorstandschef Oliver Blume den geplanten Kahlschlag. Das Management fälle Entscheidungen in einem Umfeld, das sich rasant verändere. Dazu zählte er chinesische Wettbewerber, die in Europa zwar noch nicht groß sind, aber wachsen wollen.
Gleichzeitig müsse sich VW in China, dem einst sehr lukrativen Markt, erst wieder nach vorn arbeiten. Dort hatte der Konzern zuletzt immer mehr Marktanteile an lokale Rivalen verloren und Ertragskraft eingebüßt, die jetzt auf der ganzen Welt zu Einsparungen zwingt.
Blume wies ebenfalls die Kritik von Gewerkschaft und Betriebsrat zurück, dass das Management die Krise mit vielen falschen Produktentscheidungen allein zu verantworten habe. Er wiederholte stattdessen die alte Leier, dass die Arbeitskosten in Deutschland zu hoch seien. Darunter versteht er selbstverständlich nicht die Vorstandsgehälter, sondern die Löhne der Beschäftigten. „Unsere Produkte sind gut, jetzt müssen wir mit den Kosten runter – in allen Bereichen“, so der Manager. VW könne die besten Autos der Welt bauen, doch das spiele keine Rolle, wenn der Konzern damit kein Geld verdiene.
Tatsächlich war der Gewinn in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres eingebrochen. Von roten Zahlen ist VW aber weit entfernt: Von Januar bis September verbuchte das Unternehmen nach Steuern noch satte 1,58 Milliarden Euro Gewinn.
Scharfe Kritik am Auftritt des Konzernchefs kam von Seiten der IG Metall. „Es grenzt schon an Hohn, wenn sich Oliver Blume vor die Belegschaft stellt und ihr schöne Weihnachtstage wünscht, während der VW-Vorstand zeitgleich den Beschäftigten am liebsten Kündigungsschreiben unter den Weihnachtsbaum legen will“, kommentierte Bezirksleiter Thorsten Gröger.
Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo forderte die Konzernspitze auf, von ihren Maximalforderungen abzurücken. Werkschließungen, Massenentlassungen und Einschnitte ins monatliche Entgelt kämen für die Arbeitnehmerseite weiterhin nicht infrage. Von der nächsten Verhandlungsrunde erwarte sie nun eine Weichenstellung: Entweder gebe es eine Annäherung oder eine weitere Eskalation.
Entsprechend aufgeladen war die Stimmung bei der Betriebsversammlung. Schon beim Betreten der Werkshalle wurde Blume von den über 20.000 anwesenden Kolleginnen und Kollegen ausgebuht. Auf einem Transparent war zu lesen: „Wann spart der Vorstand?“ Und in einem Flugblatt, das direkt unter dem Namensschild des Konzernchefs am Podium angebracht war, wurde gefordert: „Alle Werke müssen bleiben!“ In großen Lettern zeigten die Beschäftigten im Saal, was sie sich vom Auftritt des Konzernchefs erhofften: „Wir erwarten Antworten!“ Auch während seiner Rede wurde Blume immer wieder von Sprechchören „Streikbereit! Bundesweit!“ unterbrochen.
Dass die VW-Belegschaften streikbereit sind, hatten sie bereits Anfang Dezember bewiesen. Fast 100.000 Kolleginnen und Kollegen traten für zwei Stunden in den Warnstreik. Das Signal an die VW-Chefetage lautete: „Zukunft statt Kahlschlag“. Auch am vergangenen Montag zu Beginn der vierten Verhandlungsrunde waren wieder 100.000 Beschäftigte in den Werken in Wolfsburg, Zwickau, Hannover, Emden, Kassel-Baunatal, Braunschweig, Salzgitter, Chemnitz und Dresden dem Streikaufruf der IG Metall gefolgt.
Im Vergleich zum ersten Warnstreik war der Ausstand ausgeweitet worden. Statt zwei wurde diesmal in jeder Schicht vier Stunden gestreikt. Die nächste Eskalationsstufe wären 24-Stunden-Streiks. Aber erst einmal wird wieder verhandelt. Am 16. und 17. Dezember werden die Gespräche fortgesetzt.