Nicht stark, aber aktionsfähig

Lucas Zeise im Gespräch mit Patrik Köbele

Frage: Am Vorabend des Pressefestes in Dortmund wirst du wahrscheinlich feststellen können, dass die DKP in der Lage ist, das größte linke Volksfest zu organisieren. Was kann diese Partei sonst noch? Was passiert danach? Was sind die unmittelbar vor uns liegenden Aufgaben?

Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP

Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP

Patrik Köbele: Im Leitantrag, den wir am vergangenen Parteitag beschlossen haben, sprechen wir von der wachsenden Aggressivität des deutschen Imperialismus. Leider zeigt sich, dass wir Recht haben. Schau dir an, wie sich Deutschland immer stärker in den Krieg in und gegen Syrien einmischt! Und Merkels und von der Leyens Hochrüstungspläne! Oder im Innern das sogenannte „Integrationsgesetz“ und die Verschärfung der Hartz-Gesetze.

Mit dem Sofortprogramm haben wir eine Alternative vorgelegt. Dafür lohnt es zu kämpfen. Mit diesem Programm können wir in die Diskussion in den Gewerkschaften und mit Bündnispartnern gehen.

Frage: OK, Reden und Diskussionen …

Patrik Köbele: Wir reden nicht nur, wir handeln auch. Beispiele sind die Friedensaktionen, regional z. B. in Stuttgart aber auch unser Beitrag zu den Aktionswochen „Büchel atomwaffenfrei“. Vor zwei Wochen konnten wir in Gladbeck das Konzert von Grup Yorum durchsetzen. In vielen Städten sind Genossinnen und Genossen im antifaschistischen Kampf aktiv und in der Solidaritätsarbeit mit den geflüchteten Opfern des Imperialismus.

Frage: Ist die DKP nicht „nur organisatorisch, sondern auch poltisch in einer Existenzkrise“? So heißt es im „Offenen Brief“ des „Netzwerkes kommunistische Politik“ an die Mitglieder der Partei. Inwieweit haben die Genossinnen und Genossen in diesem Punkt Recht?

Patrik Köbele: Stimmt, wir wären gern stärker. Ja, es gibt zu viele weiße Flecken, wo keine Strukturen der DKP existieren. Wir müssen stärker um die Verankerung unter Jugendlichen kämpfen. Gut, dass wir eine intensive Freundschaft mit der SDAJ haben. Wir müssen unsere Strukturen vor allem auch im Osten unseres Landes entwickeln und wir müssen um die Stärkung unserer Verankerung in der Arbeiterbewegung ringen. Vieles ist ungenügend.

Frage: Ist das etwas Neues?

Patrik Köbele: Nein, leider gar nicht. Die Probleme sind nicht neu. Schon deshalb halte ich die Aussage von einer organisatorischen und politischen „Existenzkrise“ für falsch. Sie schadet. Wer so ein Pressefest auf die Beine stellt, der steht nicht am Ende, auch nicht in einer Existenzkrise, sondern der arbeitet an der Stärkung. Der ist handlungs- und aktionsfähig. Das ist auch der Grund, warum die Partei – jedenfalls in ihrer deutlichen Mehrheit – die Bundestagswahlen nutzen möchte, um „mehr Rot auf die Straße“ zu bringen.

Frage: Die „Netzwerker“ in der Partei behaupten, die DKP habe sich durch die Forderung nach Austritt der BRD aus der EU und den Beschluss zu einer eigenständigen Kandidatur bei der Bundestagswahl in ein bündnispolitisches Abseits gestellt. Wie stellst du dich dazu?

Patrik Köbele: Das ist, mit Verlaub gesagt, Unsinn. Die vielen Freunde und Partner aus dem In- und Ausland auf unserem Pressefest belegen das Gegenteil. Ich stelle fest, dass wir, die DKP, in den verschiedensten Bündnissen ein gefragter Partner sind, inhaltlich und organisatorisch. Es gibt bei Bündnispartnern auch abweichende Meinungen zu unseren Positionen, das halte ich für normal. Es wäre sonderbar, wenn es anders wäre.

Ich meine, dass die linke Bewegung insgesamt überlegen muss, wie eine linke Strategie gegen die unsoziale, aggressive und undemokratische EU gefunden werden kann. Das zeigt auch der Brexit. Wir dürfen doch die berechtigte Ablehnung der EU durch viele Menschen nicht den Rassisten und Nationalisten überlassen. Beim Pressefest begrüßen wir über 20 Schwesterparteien und wir begrüßen die Europäische Linkspartei unter den Gästen – das ist kein Zeichen von Isolation.

Frage: Das „Sofortprogramm“ der Partei? Ist es machbar? Mit welchen Bündnispartnern kann es verwirklicht werden? Wie gewinnen wir sie?

Patrik Köbele: Es ist machbar, wenn eine Massenbewegung der Arbeitenden, der Arbeitslosen, der Ausgegrenzten, der Geflüchteten entsteht. Das erfordert das Zurückdrängen der vielfältigen Spaltungen des gegeneinander Ausspielens. Darauf sind die Forderungen angelegt. Mit den Finanzierungsüberlegungen nehmen wir die Profiteure von Krieg, Flucht und Armut ins Visier. Die Forderungen lassen sich nur durchsetzen, wenn sie als Idee die Massen erfassen. Vor allem die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Hier werden wir nur gewinnen können, wenn wir uns selbst sagen „Ran an die Massen“. Das genau wollen wir auch mit der Absicherung unserer Kandidatur zu den Bundestagswahlen angehen. Dafür müssen wir tausende von Unterschriften sammeln, das heißt zehntausende Gespräche zu führen.

Frage: Bitte erkläre uns noch einmal in kurzen Worten, was wir mit einer eigenständigen Kandidatur zu erreichen hoffen.

Patrik Köbele: Das ist eigentlich simpel. Unsere Bündnispartner verstehen das auch sehr wohl: Es geht mit unserer Kandidatur darum, die Diskussion nach links zu verschieben. Es handelt sich dabei um eine von der DKP organisierte Diskussionsoffensive mit ihrem Sofortprogramm. Die möglichst flächendeckende Kandidatur der DKP mit Landeslisten ist das eine. Und wenn alles gut läuft, haben wir ein Stimmenergebnis, das zeigt, es gibt viel mehr Menschen als die DKP Mitglieder hat, die in diesem Land bewusst kommunistisch wählen und damit Linksdruck erzeugen und verstärken.

Frage: Und was muss geschehen, damit wir die öffentliche Diskussion von den Flüchtlingen und von den offenen oder geschlossenen Grenzen zur eigentlichen sozialen Frage verschieben können?

Patrik Köbele: Wir müssen zeigen, dass die, die an Kriegen verdienen und damit Flucht auslösen, auch die sind, die ein Interesse an Arbeitslosigkeit, an Leiharbeit, Werkverträgen und Hartz-IV-Gesetzen haben und dieses Interesse durchsetzen. Dass es dieselben sind, die Flüchtlinge benutzen, um die Konkurrenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt zu erhöhen. Wir müssen zeigen, dass es dieselben sind, die den Rassismus fördern, die vom Rassismus profitieren, weil er die Gegenwehr spaltet und schwächt.

Frage: In der DKP gibt es Diskussion und heftigen Meinungsstreit – behindert das die Stärkung der DKP?

Patrik Köbele: Aus meiner Sicht, nein. Wir sind eine diskussionsfreudige Partei, in der um die richtige Politik gerungen wird. Schwierig wird es erst dann, wenn das gemeinsame Handeln aufgegeben wird. Das behindert die Stärkung. Unser Pressefest wird zeigen, dass es auch anders geht. Hunderte Helferinnen und Helfer haben es unter schwierigen Bedingungen vorbereitet und führen es durch. Ihnen gebührt der große Dank nicht nur der Partei, sondern aller Besucher unseres Pressefests.

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"Nicht stark, aber aktionsfähig", UZ vom 1. Juli 2016



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