Am 20. September hatten Angela Merkel und andere Vertreter der Großen Koaliation sowie der Koalitionsparteien in Berlin ihre „Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030“ vorgestellt, am 9. Oktober folgte nun ein ganzes Klimaschutzpaket, zu dem neben den Eckpunkten auch der Entwurf eines Klimaschutzgesetzes sowie – mit einem Umfang von 173 Seiten – das „Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050“ gehören. Schon im Vorfeld gab es Kritik: Vieles wäre noch mehr „verwässert“ und abgeschwächt worden, die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger reiche nicht aus. Dabei hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eigentlich schon im September klargestellt: „Zur Wahrheit gehört dazu, dass Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist. Das gilt weder für den Bundeshaushalt noch für die Bürgerinnen und Bürger.“
Aber erklärt hatte der Sozialdemokrat auch: „Auch diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen müssen sich das, was wir machen, leisten können.“ Das Klimapaket soll „sozial ausgewogen“ sein: Wenn durch die Bepreisung von CO2 ab dem Jahr 2021 vieles teurer wird, soll es zugleich Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger geben. Im Klimaschutzplan heißt es dazu, der Leitgedanke der Bundesregierung sei bei diesem Programm, „die Einhaltung der Klimaschutzziele wirtschaftlich nachhaltig und sozial ausgewogen auszugestalten“. Schaut man sich die vorgeschlagenen Maßnahmen an, dann scheint das auf den ersten Blick auch zu stimmen: Die Stromsteuer soll – schrittweise und im Zusammenhang mit der Erhöhung der CO2-Bepreisung – gesenkt werden. Gesenkt werden soll auch die Umlage für erneuerbare Energien. Die Pendlerpauschale wird erhöht, wobei davon nur Teile der Bevölkerung profitieren. Wohngeldbezieher sollen durch eine Erhöhung des Wohngeldes um 10 Prozent unterstützt werden. Fraglich wird es, wenn betont wird, dass Änderungen des Mietrechtes geprüft werden, „die eine begrenzte Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung vorsehen“. Dies führe angeblich „zu einer doppelten Anreizwirkung: Für Mieter zu energieeffizientem Verhalten und für Vermieter zu Investitionen in klimaschonende Heizungssysteme beziehungsweise energetische Sanierungen“. Nebulös wird es dann im Zusammenhang mit „Transfergeldleistungen“. Da steht nur ein einziger Satz: „Erhöhte Energiekosten werden bei den Transferleistungen bereits nach den festgelegten Verfahren berücksichtigt.“ Der Mehrwertsteuersatz im Fernverkehr der Bahn soll auf 7 Prozent gesenkt werden. Gut und schön, aber für den Regionalverkehr und den öffentlichen Nahverkehr gibt es dagegen im Klimaschutzprogramm keine entsprechende Orientierung. Auch nicht für den Ausbau beziehungsweise die Wiederaufnahme des öffentlichen Verkehrs in ländlichen Gebieten.
Nicht nur die Partei „Die Linke“ hatte zuvor gewarnt, dass die Umsetzung der Regierungspläne zum Klima vor allem kleine und mittlere Einkommen belasten werde. Sie fordert in diesem Zusammenhang eine Reichensteuer. Die Grünen schlugen vor, jeder Bürgerin, jedem Bürger 100 Euro im Jahr als Ausgleich zurückzuzahlen, was offensichtlich nicht reichen wird. Denn auch den Machern der „Tagesschau“ war das Gerede der Bundesregierung von „sozialer Ausgewogenheit“ wohl zu dünn und sie fragten nach. Laut Professor Matthias Kalkuhl vom Klima-Forschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) in Berlin belastet das Klimapaket künftig tatsächlich vor allem Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen, Besserverdienende seien, so der Ökonom, weitaus weniger betroffen. Wer wenig Geld habe wie Geringverdiener und Rentner mit einer niedrigen Rente, für den fallen höhere Energiekosten mehr ins Gewicht. Kalkuhl rechnet für Geringverdiener 2026 derzeit unterm Strich mit Mehrausgaben von 150 bis 250 Euro pro Jahr und Haushalt.
„Soziale Ausgewogenheit“ sieht anders aus.