Anfang der Woche veröffentlichte die Initiative „Frieden-links“ ein Thesenpapier zur Debatte, ob Teile der Friedensbewegung sich ungenügend abgrenzen. UZ dokumentiert redaktionell bearbeitete Auszüge aus diesem Papier.
Das einigende Band der Friedensbewegung ist die Kritik an Militarismus und Krieg. Auf dieser Grundlage bietet sie Raum für Menschen in ihrer je eigenen bunten Vielfalt von Haltungen und/oder Überzeugungen, darunter etwa konservative oder kommunistische, christliche oder atheistische, anarchistische, bürgerlich-liberale, ökologische, pazifistische und viele andere mehr.
Seit ihrer Herausbildung als „moderne“ Friedensbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird sie von den Kriegstreibern und Militaristen politisch verfolgt, diffamiert als Vaterlandsverräter, als ferngesteuert oder fünfte Kolonne des gerade aktuellen „Feindes“, als naiv, sich der Realität verweigernd, politikunfähig.
Neu ist, dass dieses aus Organisationen erfolgt, die bisher in der Friedensbewegung verwurzelt waren. Damit werden innerhalb von großen Mitgliedsorganisationen tiefgehende Widersprüche provoziert, da in ihnen zugleich nach wie vor Menschen aktiv sind, die Stigmatisierung und Ausgrenzung ablehnen.
Der Hintergrund dieser Entwicklung ist der enorme Druck, den die herrschenden Eliten und ihre Medien auf friedensliebende Kräfte jeglicher Art ausüben. Sie engen den Debattenraum auf erschreckende Art und Weise ein.
Aus Sicht der NATO will und muss der Westen den Krieg in der Ukraine gewinnen. Zu Beginn des Krieges mag das noch anders gewesen sein, aber inzwischen geht es den NATO-Falken und ihrem militärisch-industriellen Komplex um die Aufrechterhaltung ihrer Dominanz in der Welt; sie wollen die (Zeiten-)Wende von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt brechen, mindestens jedoch aufhalten. Das begründet ihre Feindschaft und Unversöhnlichkeit gegenüber allen Kräften, die auf Diplomatie, Kompromisse, Abrüstung setzen.
Für viele Menschen, die sich in den letzten Jahren (neu) politisiert haben – vor allem durch die Corona-Politik der Bundesregierung und deren Absolutheitsanspruch –, erscheint der Begriff „links“ nicht mehr als aufklärerisch, sondern eher als denunziatorisch. „Links“ wird zunehmend als Synonym für inhaltsleere Abgrenzung, als Beschimpfung und Beleidigung durch vermeintlich „Rechte“ wahrgenommen. Dabei ist „rechts“ die Auffassung, Krieg und Militarisierung seien notwendig und sinnvoll, „rechts“ ist das Denken in Feindbildern, die Meinung, dass unterschiedliche Menschengruppen und Individuen unterschiedliche Wertigkeiten und Rechte hätten, „rechts“ ist autoritär, nach unten tretend und nach oben katzbuckelnd.
Wer sich links verortet, sollte dazu stehen. Wer linke Positionen aufgibt, um im Mainstream anzukommen, spielt den Ball denjenigen zu, die rassistische und militaristische Positionen vertreten, aber sich aufgrund ihrer Anhängerschaft oder anderweitiger politischer Opportunität einer strategisch-taktischen Friedensrhetorik bedienen.
Wir wenden uns entschieden gegen eine „Abgrenzeritis“, die ohne Bezug auf eigene friedenspolitische Grundsätze erfolgt. Begriffe wie „rechtsoffen“ (auch „Querdenker“ als Schimpfwort oder der leichtfertige politische Todesstoß „Antisemitismus“) spiegeln nicht linke Denkungsart. Es sind Erfindungen von rechts, um die Bewegung zu spalten. Sie entfalten allerdings ihre Wirkung erst, wenn sie nicht nur „von außen“ den Bewegungen angeheftet werden, sondern sich auf eine „innere Zeugenschaft“ stützen können. Die wiederum arbeitet häufig mit Lügen wie gefälschten oder aus Zusammenhängen heraus gerissenen Zitaten oder indem sie willkürlich und fälschlich Ereignisse oder Äußerungen einander zuordnet, die nichts miteinander zu tun haben.
Wir wollen Organisationen und Parteien nach ihrer Programmatik und nicht nach kritikwürdigen Auftritten einzelner Protagonisten beurteilen. Willkommen sind alle, die ehrlichen Herzens für Frieden eintreten. Wer aber meint, Friedenskundgebungen in rechte Versammlungen ummünzen zu müssen, soll zu Hause bleiben.
Wir wollen Einzelpersonen, die als „umstritten“ oder „rechtsoffen“ dargestellt werden, nach der Gesamtheit ihrer inhaltlichen Aussagen beurteilen und kämpfen hierbei für wahrheitsgemäße Darstellungen. Wir suchen bewusst die Zusammenarbeit mit Kräften, die sich der Friedensfrage „neu“ annähern. Wir wollen deren politische Sozialisierung verstehen und mit ihnen argumentative Ansätze für eine offene und ehrliche Diskussion finden.