Zum Krieg Israels gegen Libanon

Nicht ob, sondern wann

„Wir verlieren alles. Die Ernte wird zerstört, der Tourismus bricht zusammen und am schlimmsten ist: unsere Kommunen brechen zusammen“, so zitiert die „Times of Israel“ einen der Demonstranten gegen die Regierung Netanjahu. Die Schäden im Norden Israels sind heute sehr viel umfassender als noch im Krieg zwischen Hisbollah und Israel 2006. Felder und Wälder brennen ab, Infrastruktur wird zerstört. Selbst die Bürgermeisterwahlen in 14 Gemeinden im Norden Israels wurden auf November verschoben.

Die Angriffe der Hisbollah dauern an und weiten sich sogar aus – umso mehr, je länger der Krieg gegen Gaza andauert. Der 1. September ist das Datum, das immer wieder genannt wird. Dann beginnt das neue Schuljahr und viele Einwohner von Siedlungen im Norden haben die Hoffnung, dass ihre Kinder dann wieder in die Schule gehen können.

Doch selbst, wenn es einen Waffenstillstand gäbe: Viele fürchten sich zurückzukehren, solange Hisbollah nahe der Grenze präsent ist. Für Kommentatoren in Medien von „al-Jazeera“ bis „Haaretz“ und von „Times of Israel“ bis „Jerusalem Post“ gilt mittlerweile: Ein offener Krieg zwischen Israel und Hisbollah ist nicht eine Frage des „Ob“, sondern des „Wann“. Statt eines Waffenstillstands in der Region vom Jemen bis Gaza und bis zum Libanon droht womöglich ein großer Krieg. Ein Krieg, so Eran Etzion, der frühere Chef des israelischen Sicherheitsrates, den Israel in den ersten 24 Stunden verlieren werde.

Das US-Außenministerium erklärt mittlerweile gewohnt zweideutig, dass die USA keinen offenen Krieg im Norden sehen wollen, aber schließlich: Israel habe das Recht, sich selbst zu verteidigen. Jetzt reist Außenminister Blinken erneut in die Region, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Er weiß – und formulierte dies auch gegenüber der israelischen Regierung: Einen Waffenstillstand im Norden gibt es nur, wenn es einen Waffenstillstand in Gaza gibt.

Doch vielleicht fühlt sich Netanjahu durch die Geiselbefreiung in Gaza zu Größerem berufen, zum zweiten Unabhängigkeitskrieg Israels, wie er es einmal nannte. Anfang Juni besuchte er die schwer beschädigte Stadt Kiryat Shmona und erklärte, Israel sei bereit zu intensiven Handlungen im Norden. Sollte es aber nach dem Rücktritt von Gantz und seinen Verbündeten zu Neuwahlen kommen, bleibt Israel die Wahl zwischen dem „totalen Sieg“ (Netanjahu) und dem „wirklichen Sieg“ (Gantz).

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"Nicht ob, sondern wann", UZ vom 14. Juni 2024



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