Hohe Beteiligung an Generalstreik in Belgien

Nicht nur Krümel

Von Lars Mörking

In Belgien wurde am Mittwoch vergangener Woche landesweit gestreikt. Nicht nur der Flugverkehr, die Bahn und der öffentliche Nahverkehr waren massiv betroffen, auch in Krankenhäusern, bei der Post, im Schulwesen und bei der Müllabfuhr wurde gestreikt. Beschäftigte zahlreicher Privatunternehmen in der Stahl- und Metallindustrie sowie der Erdölverarbeitung legten ebenfalls die Arbeit nieder.

Aufgerufen hatten die drei größten belgischen Gewerkschaften FGTB, CSC und CGSLB. Zwischen Ostende und Arlon, von Antwerpen bis in den Hennegau standen Hunderte von Streikposten vor den Betrieben, in einigen Städten gab es Demonstrationen der Streikenden, die größte davon in der Hauptstadt Brüssel. Die belgische Partei der Arbeit (PTB) zeigte ihre Solidarität mit den Streikenden. Delegationen der PTB besuchten nicht weniger als 600 Streikposten. „Die Anwesenheit vor Ort und die aktive Unterstützung des sozialen Kampfes ist unsere DNA“, sagte Raoul Hedebouw, Sprecher der PTB.

Die Streikbewegung richtet sich gegen die Absicht der belgischen Regierung, Lohnanpassungen für die nächsten zwei Jahre auf 0,8 Prozent zu begrenzen. Das Problem sei die Kaufkraft, heißt es in einer Pressemitteilung der Partei der Arbeit. In Bereichen mit traditionell niedrigeren Löhnen (Wäschereien, Gebäudereinigung, Transport usw.) fordern die Beschäftigten einen Mindestlohn von 14 Euro pro Stunde.

Sonia, die in einem Seniorenheim arbeitet, gibt an, einen Lohn von 1 500 Euro zu erhalten, bei Vollzeitarbeit in Unterbesetzung und bei wachsender Arbeitsbelastung. „Ich weiß nicht, wann es unsere letzte echte Lohnerhöhung gab. Das ist nicht normal.“ Die Arbeit mache kaputt, und „Wir bekommen Krümel“, so Sonia. Wozu die Lohnanpassungen auf 0,8 Prozent begrenzen, wenn sich die Profite im vergangenen Jahr verdoppelten, meinte ein Gewerkschafter des FGTB stellvertretend für Hunderttausende von Lohnabhängigen.

Einen Tag nach dem Generalstreik demonstrierten 15000 belgische Schülerinnen und Schüler zum sechsten Mal für das Klima. Die Schülerinnen und Schüler fordern von der Regierung, dass sie sich endlich für ihre Forderungen einsetzt. Der Vorsitzende der PTB, Peter Mertens, sagte: „Diese Generation ruft auf zum Ende des endlosen Bla, Bla, Bla. Wir brauchen enorme Investitionen des Staates und eine Politik, die dafür sorgt, dass die großen Verschmutzter bezahlen und nicht die arbeitende Bevölkerung.“ Mertens bezeichnete die Bewegung für den Klimaschutz als Vorboten einer sozialen Klimarevolution. Rechte Politiker versuchten, die Themen Klimaschutz und Kaufkraft gegeneinander zu stellen. „Sie wollen, dass wir glauben, dass ‚mehr Klima‘ dasselbe ist wie ‚weniger Kaufkraft‘“, so Mertens. Die Bewegung der Gelbwesten und die gewerkschaftliche Mobilisierung hätten die Debatte über soziale Gerechtigkeit in die Klimabewegung eingebracht. Die Klimamobilisierung führe wiederum zu einem neuen Bewusstsein in der Arbeitswelt.

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"Nicht nur Krümel", UZ vom 22. Februar 2019



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