Wenn die Berufung von Staatsanwalt Roman Reusch durch die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin zum Leitenden Oberstaatsanwalt und Leiter der Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ nur ein internes Ärgernis wäre, dann wäre das keiner Meldung wert.
Der 1954 geborene Reusch stand schon einmal im Mittelpunkt eines öffentlichen Skandals. Zunächst leitete er seit Juni 2003 die neu gegründete Abteilung 47 der Berliner Staatsanwaltschaft, die sich speziell um Delikte jugendlicher Intensivstraftäter kümmerte. Und fiel wohl schon bald durch seine harte Haltung auf. 2007 forderte Reusch in einem Vortrag über „Migration und Kriminalität“ auf Einladung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung dann aber unter anderem Konsequenzen bis hin zur Ausweisung von jugendlichen Straftätern mit Migrationshindergrund. Seine Positionen konnte er bei „hart aber fair“ und „Anne Will“ verbreiten. In einem Gespräch mit dem „Spiegel“ erklärte Reusch, dass jugendliche Straftäter allein zum Zwecke besserer Erziehung in Untersuchungshaft gesteckt werden sollten. „Kinder krimineller Sippen“ sollten nicht eingebürgert werden, da sie aller Voraussicht nach „ihrerseits kriminell würden“ (Spiegel online, Donnerstag, 17.1.2008). „Bild“ ernannte ihn damals zu „Deutschlands mutigstem Staatsanwalt“.
Ein bekannter Rassist
Im Januar 2008 wurde Reusch von der damaligen Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) nach seinen umstrittenen Äußerungen zur Generalstaatsanwaltschaft versetzt.
Nein, ein Ex-Republikaner ist der neue Leitende Oberstaatsanwalt Reusch wohl nicht. Jene bürgerlichen Medien, die das vor einigen Tagen gemeldet hatten, mussten sich jedenfalls inzwischen korrigieren – das war wohl eine Verwechslung. Aber der Jurist Reusch ist AfD-Mann, Beisitzer (also Mitglied) im Brandenburger Landesvorstand der Partei. Doch das und die diskriminierenden, rassistischen Positionen, für die die AfD und der Jurist stehen, spielen für die Berliner Justiz keine Rolle.
Der Sprecher der Berliner Justiz, Martin Steltner, begründete Reuschs Beförderung mit dessen „hervorragender Arbeit“, erklärte aber auch: Als AfD-Mitglied gehöre der ja keiner verbotenen Vereinigung an … Auch wegen dieser Äußerung ist wohl der frühere CDU-Mann Alexander Gauland, gleichfalls Jurist, stellvertretender Vorsitzender der AFD und Landesvorsitzender in Brandenburg, mit der Berufung so zufrieden.
Dabei ist allen in der Berliner Politik und Justiz bekannt, dass Reusch seine Positionen nicht geändert hat – im Gegenteil. Auf dem Landesparteitag der brandenburgischen Alternative für Deutschland im April 2015 äußerte er sich zur Flüchtlingspolitik. Laut Medienberichten trat er dabei für den Bau von Aufnahmezentren für Asylbewerber noch auf dem afrikanischen Kontinent auf. Afrikaner sollten ihre Asylverfahren in Afrika durchlaufen. – Aber das äußerten ja auch schon Politiker aus CSU und CDU.
Juristen gegen Berufung
Jetzt protestieren die Vereinigung Berliner Strafverteidiger und der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg gegen die Beförderung des Staatsanwaltes. Der Türkische Bund erinnerte in einer Presseerklärung am 18. April daran, dass der Antirassismus-Ausschuss der UNO (CERD) bereits 2013 der Bundesregierung nach der Individualbeschwerde des Türkischen Bundes wegen den rassistischen Äußerungen von Thilo Sarrazin empfohlen hatte, ihre StaatsanwältInnen und RichterInnen im Sinne der CERD-Bestimmungen zu schulen. Die Vereinigung der Berliner Strafverteidiger erklärte zur Ernennung von Reusch: „Vor diesem hinlänglich bekannten Hintergrund der Einstellungen von Herrn Reusch ist die Entscheidung, ihn in verantwortlicher Position staatsanwaltschaftliche Entscheidungen über Auslieferungen treffen zu lassen, vollkommen unverständlich. Auslieferungsentscheidungen betreffen notwendigerweise auch ausländische Staatsbürger. Ein Beamter, der sich im Spiegel u. a. mit der Äußerung hervorgetan hat, 80 % der von ihm betreuten Täter hätten einen Migrationshintergrund und ‚in diesem Land nicht das Geringste verloren’, ist nach Auffassung der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger ungeeignet. Die Beförderung … lässt im Falle ihrer Umsetzung besorgen, dass die Staatsanwaltschaft es billigend in Kauf nimmt, sich in Auslieferungsfragen zum justiziellen Arm der AfD machen zu lassen …“