Schulen gehören nicht zur „Kritischen Infrastruktur“, deshalb ist Durchseuchung erlaubt

Nicht mehr als Chaos

Marie-Luise Freudenberg

„Aber muss er jetzt weiter zur Schule gehen oder in Quarantäne?“ – Wenn man noch zur Schule geht, dort arbeitet oder Kinder hat, die zur Schule gehen, hat man diese Frage in letzter Zeit vermutlich öfter gehört oder selbst gestellt. Neue Regelungen bezüglich Quarantäne und Corona-Testen verwirren SchülerInnen, Eltern und Lehrpersonal.

So müssen mittlerweile Kontaktpersonen von auf Covid-19 positiv getesteten Schülerinnen und Schülern in den meisten Bundesländern nicht mehr in Quarantäne, sondern nur Schülerinnen und Schüler, deren Schnelltest positiv ausfällt. Getestet wird in der Regel je nach Bundesland zwei bis drei Mal die Woche mit Schnelltests. Gibt es einen positiven Fall einer Schulklasse, testet sich die Klasse über zwei Wochen jeden Tag.

Man kann sich vorstellen, dass die aktuelle Taktik – Schüler und Schülerinnen, die Kontakt zu Corona-positiven Schüler und Schülerinnen hatten, weiterhin zur Schule gehen zu lassen – die Verbreitung von Omikron krass vorantreibt. Des Weiteren haben positiv-getestete Schülerinnen und Schüler aktuell oftmals keine Chance, einen PCR-Test zu machen. Die Schulen, die bis vor kurzem lokal an der Schule PCR-Tests anboten, müssen zukünftig ausschließlich mit Schnelltests vor Ort auskommen.

Das liegt daran, dass die Auswertungslabore überfordert und PCR-Tests knapp sind. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer und alle anderen Personen, deren Alltag in Schulen stattfindet, sind nicht in der Priorisierung für PCR-Tests mit drin. Der Grund: Sie werden nicht zur sogenannten „kritischen Infrastruktur“ gezählt.

LehrerInnenverbände, SchülerInnenvertretungen sowie Elterninitiativen äußern Wut und Enttäuschung. Anscheinend lerne die Politik gar nichts aus Fehlern aus nun knapp zwei Jahren Pandemie dazu, sondern wiederhole die gleichen Fehler immer und immer wieder, so momentan die oft geübte Kritik. Landesregierungen nähmen mit unterlassenen Maßnahmen eine Durchseuchung der meisten Schulen in Kauf.

Die Kritik und Wut ist berechtigt: Wären rechtzeitig Luftfilter in Schulen eingebaut, ausreichend kostenlose Masken, Schnell- sowie PCR-Tests vorhanden und hätte man mehr Personal eingestellt – damit für kleinere Klassen und so für mehr Abstand zwischen den Menschen in der Schule gesorgt –, hätte man weiterhin den durchaus sinnvollen und nötigen Präsenzunterricht weiterführen können. Das hatte zum Beispiel die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft schon lange gefordert, damit die Zahlen nicht in die Höhe schießen, wie es aktuell der Fall ist.

Aber man kümmerte sich nicht darum, weil das alles Geld kostet. Geld, das während der Corona- und der Wirtschaftskrise lieber in die Banken- und Unternehmensrettung gesteckt wurde als in die Gesundheit der Bevölkerung. So aber schlittern Lehrpersonal und Schülerschaft nun schon seit zwei Jahren vom schlecht organisierten und die Chancenungleichheit noch mehr vergrößernden Home-Schooling in einen Präsenzunterricht, in dem Gesundheit von Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schülern gefährdet sind und Chaos und Unklarheit herrschen.

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"Nicht mehr als Chaos", UZ vom 4. Februar 2022



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