Zu den Leserbriefen von Detlef Fricke und Simon Becker, „Unmarxistische Analyse“ und „Pandemie, nicht Epidemie“, UZ vom 26. Februar

Nicht Längsdenken

Klaus Hartmann, Offenbach

Zwei Leserbriefe bemühten sich, den Beitrag der DKP Hannover „Wogegen richten wir uns?“ zu widerlegen. Autor Fricke verkündet sein Urteil „Falsche Einschätzungen“, vergisst aber die Begründung. Erst unterstellt er „es fehlt jegliche Analyse“, um dann eine „falsche“, eine „unmarxistische“ Analyse zu beklagen. Das apodiktische Urteil von Fricke kommt problemlos ohne Argumentation aus, aber nicht ohne Verfälschung und Unterstellung: „‘Rechts‘ ist nach Auffassung des KV Hannover alles.“

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil: Der neue Kalte Krieg gegen Russland und China, die Aufrüstungskampagne der NATO, die Ausplünderung der Werktätigen, der jahrzehntelange Demokratieabbau – stehen da als Beispiele rechter Politik. Das muss der Leserbriefschreiber verschweigen, um auf dem Ressentiment zu surfen: „Wiederbelebung der Sozialfaschismustheorie“ nennt er es, fühlt gar seine „Bündnispolitik mit fortschrittlichen Kräften“ damit unterlaufen. Jedoch: Kräfte, mit denen man nicht gegen diese Rechtsentwicklung kämpfen kann, sind weder fortschrittlich noch Bündnispartner, wer sie trotzdem an seiner Seite wähnt, steckt selbst in „falscher Praxis“ fest.

Dann stellt sich Autor Becker „als Mediziner“ vor, nimmt den Unterschied zwischen „Epidemie“ und „Pandemie“ auseinander, um den „Hannoveranern“ vorzuwerfen, sie sprächen „immer noch bewusst von einer Epidemie“. Darin vermutet er den Versuch, „die Gefährlichkeit des Virus zu schmälern oder gar dessen allgegenwärtiges Auftreten zu leugnen“, letztlich „das ‚Querdenken‘ verteidigende Schlussfolgerungen“.

Diese mit nichts begründete Vermutung verstellt dem Mediziner Becker offenbar den Blick, dass er seine Vorwürfe an Bundesregierung und Bundestag richten müsste: Denn es war der Bundestag, der am 27. März 2020 den Rechtsbegriff „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ in das Infektionsschutzgesetz eingefügt und selbige Lage auch sofort festgestellt hat. Am 18. November 2020 hat der Bundestag deren Fortbestehen bei Verabschiedung des „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage“ festgestellt. Dass der Gesetzgeber permanent nicht von „Pandemie“ spricht, sollte Becker nicht der DKP Hannover vorwerfen. Und bei allem Bemühen, sich von „Querdenken“ abzusetzen, sollte man auch nicht ins „Längsdenken“ (entlang Merkelsöder) verfallen.

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