Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat den Waffenstillstand zwar als „echte, neue Chance für den so dringend benötigten humanitären Zugang zu Hunderttausenden Menschen in Not“ gelobt und dazu aufgerufen, „die jetzt zwischen Washington und Moskau getroffenen Vereinbarungen einzuhalten und das Kämpfen spätestens am Montag einzustellen“. Rein machtpolitisch betrachtet ist das Abkommen jedoch ein Dämpfer für die Bundesregierung. Die Feuerpause zwischen Washington und Moskau ist ohne Beteiligung Berlins ausgehandelt worden – ein Rückschlag für die deutschen Bestrebungen, allgemein in der Weltpolitik und besonders im „Krisengürtel“ rings um Europa machtpolitisch eine stärkere Rolle zu spielen. Russland hingegen kann einen zumindest punktuellen Wiederaufstieg zur „Ordnungsmacht“ in Nah- und Mittelost verzeichnen.
Vor rund vier Jahren schien Berlin seinen machtpolitischen Zielen näher als heute: Während Experten die Regierung Assad damals kurz vor dem Sturz sahen, kamen regelmäßig syrische Exilpolitiker in der deutschen Hauptstadt zusammen, um – angeleitet von Regierungsberatern und Fachleuten aus dem Auswärtigen Amt – Pläne für den Wiederaufbau Syriens zu erstellen.
Die Bundesregierung wird ihre Einflussaktivitäten im Nahen und Mittleren Osten ausweiten. Als mutmaßlich nächster Schritt gilt die Entsendung deutscher Soldaten zur Bedienung von NATO-Awacs-Flugzeugen auf die Luftwaffenbasis im türkischen Incirlik. Dort sind bereits jetzt rund 240 Soldaten der Bundeswehr stationiert, die mit „Tornado“-Kampfjets und einem Tankflugzeug Einsätze im Krieg gegen den IS vorbereiten und begleiten.
Die Luftwaffe richtet sich in Incirlik nun mit Baumaßnahmen langfristig ein. Berichtet wird, das Verteidigungsministerium habe 58 Millionen Euro freigegeben, mit denen ein eigenes Flugfeld für die Tornados sowie Unterkünfte für die deutschen Soldaten errichtet werden sollen. Zudem werde man einen mobilen Gefechtsstand für Incirlik beschaffen, teilt die Bundeswehr mit.
Die kontinuierlich zunehmenden Militäroperationen sind das Mittel und der Preis der neuen deutschen Weltpolitik, die Berlin dem noch nicht erreichten Ziel, im „Krisengürtel“ rings um die EU zur führenden Macht zu werden, näherbringen soll.