„Querfront“-Vorwürfe, Faschismusanalyse und die Interessen des Monopolkapitals

Nicht alles in einen Topf werfen

Richard Höhmann, verantwortlich für Bildungsarbeit im Sekretariat des Parteivorstands der DKP, referierte auf der 2. Tagung des Parteivorstands zu aktuellen Problemen und Fragestellungen in antifaschistischen und Friedensbündnissen. Im Mittelpunkt standen dabei die unterschiedlichen Ansätze der Friedensbewegung zum Umgang mit neuen Kräften, die das Potential zur Spaltung haben.

UZ: Der Parteivorstand hat sich auf seiner jüngsten Sitzung erneut mit dem Thema der Bündnispolitik in der Friedensbewegung beschäftigt. Im Mittelpunkt stand die Einschätzung und der Umgang mit neuen Kräften in der Friedensbewegung und den „Querfront“-Vorwürfen. Warum schenkt die DKP dem Thema derart große Aufmerksamkeit?

Richard Höhmann: „Querfront“ oder „rechtsoffen“ sind Modewörter in der politischen Debatte der letzten Monate. Ihr Kennzeichen: Sie sind nicht weiter definiert, bleiben im Ungefähren und werden meist denunziatorisch genutzt. Sie verwischen die dringend notwendige Trennschärfe zum Faschismus, verharmlosen und entpolitisieren damit den Faschismus.

Für die Widerstandskämpfer, aber auch für meine Generation standen Flick, die IG Farben, die Deutsche Bank und andere Konzerne für den Zusammenhang von Faschismus und Finanzkapital. Diesen Zusammenhang zu sehen scheint zunehmend verloren zu gehen. Faschismus verliert sich in der Wahrnehmung vieler Engagierter im Dunkelfeld „irgendwo, irgendwie ganz rechts“. Erscheinungsformen werden häufig für das Wesen genommen. Es verwundert nicht, dass die faschistische Gefahr zunehmend und ausschließlich bei Personen verortet wird.

Ein Beispiel ist der Artikel von Maxi Schneider im VVN-Verbandsorgan „antifa“. Sie ersetzt darin die antifaschistische Traditionslinie durch eine bürgerliche Faschismusbetrachtung ohne jegliche Klassenanalyse. Abschließend wirft sie der DKP Querfront-Gelüste und Antisemitismus vor.

UZ: Wo sieht die DKP die Gefahren, wenn das Wesen des Faschismus nicht erkannt wird?

Richard Höhmann: Die aktuelle antifaschistische Bewegung in Deutschland ist deutlich fixiert auf bestimmte Bilder und Erscheinungsformen. Sie erwartet Faschismus in den Formen von gestern. Der Blickwinkel wird dadurch verengt, die Analyse fehleranfällig.

Der komplexe Beeinflussungsapparat von Thinktanks, Stiftungen, Parteien, NGOs bis zu den Medien verbreitet unscharfe Begriffe wie „rechtsoffen“ im Interesse der Herrschenden. In gewendeten Zeiten braucht es Ruhe an der Heimatfront. Protest gegen die Kriegspolitik muss gebrandmarkt werden. „Rechtsoffen“ wird benutzt wie bei der Inquisition. Abschwören hilft nicht. Das haben Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer erlebt bei ihrer Demo. Sie konnten sich noch so deutlich gegen rechte Trittbrettfahrer abgrenzen – ein Schild von Jürgen Elsässer irgendwo am Rande der Demo in eine Kamera gehalten und der Beweis ist erbracht. Die Hexe muss brennen. Ob gewollt oder nicht: Antifa-Gruppen, Szeneblätter und Blogs assistieren als Gesinnungs-TÜV. Statt solider Analyse gibt es trübe Süppchen. Die Zutaten sind meist aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, Fotos und Screenshots.

Die Initiative „Frieden-Links“ beklagt zu Recht „eine totalitäre Meinungsmache der politischen ‚Mitte‘“. Mittlerweile gelte als „rechts“ nahezu „jegliches vom Normativen abweichende Verhalten“.
Die DKP klebt Menschen keine Etiketten auf die Stirn, die ihr Unbehagen und die Ablehnung etablierter Politik bisher nur auf der Ebene der Oberflächenphänomene formulieren können. Gleichzeitig erteilen wir Querfrontstrategen wie Elsässer eine deutliche Absage. Es gibt keine Zusammenarbeit mit faschistischen, offen rassistischen oder Faschisten in ihren Reihen duldenden Organisationen.

UZ: Angesichts der Umfrageergebnisse der AfD warnt etwa die VVN in der Kampagne „Björn Hocke ist ein Nazi“ vor einem neuen 1933. Wie schätzt die DKP die aktuelle Gefahr des Übergangs zum Faschismus ein?

Richard Höhmann: Die Frage steht: Welche Interessen hat das Monopolkapital und wie kann es sie durchsetzen? Da stehen geostrategische Interessen und die Absicherung der Profite im Mittelpunkt. Deshalb wird aufgerüstet, der Krieg gegen Russland geschürt und aggressive Außenpolitik gegen China betrieben. Die Kosten trägt die Mehrheit, die immer noch keinen Krieg will. Damit das so bleibt, wird zugleich reaktionärer Staatsumbau betrieben.

Braucht es dafür momentan faschistische Kräfte? Meine Antwort ist: Nein! Die Grünen im Verbund mit der SPD übernehmen diese reaktionäre Aufgabe mit Bravour, FDP und CDU/CSU assistieren innerhalb und außerhalb der Regierung.

Eine Funktion der AfD ist die Einbindung von Protestpotential. Umso mehr, als die Bindungskraft klassischer „Volksparteien“ nachlässt. Sie inszeniert sich als Anwalt vor allem für die kleinen Leute. Sie greift hemmungslos und demagogisch Massenstimmungen auf. Auch den Wunsch nach Frieden.
Eine AfD wird als Machtoption aktuell aber nicht gebraucht. Dazu der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI): „Für mich ist klar: Die AfD schadet dem Industriestandort Deutschland. Wir leben von Weltoffenheit, die Welt ist unser Markt. Wir müssen attraktiv bleiben für schlaue Köpfe aus dem Ausland.“ Die Reputation Deutschlands sei in Gefahr, „wenn eine Partei wie die AfD die fremdenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung schürt“.

UZ: Welchen Ansatz verfolgt die DKP?

Richard Höhmann: Wir halten es mit Hans-Jürgen Urban von der IG Metall: „So wichtig die klare Kante gegen die Ideologen, Organisatoren und Galionsfiguren der rechten Bewegungen ist: Genauso wichtig ist ein Angebot an diejenigen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, die täglich vom sozialen Abstieg bedroht sind und die ihre Lebensbiographie entwertet und verraten sehen.“

Das heißt: Genau analysieren und nicht alles in einen Topf werfen. Menschen reagieren oft irrational und politisch indifferent. Das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen etwa der Corona-Protestbewegung. Dass faschistische und reaktionäre Kräfte versuchen, bei Unzufriedenen Anschluss zu finden, ist nicht verwunderlich. Das macht die Angesprochenen aber doch nicht zu unserem Gegner. Es wäre unverantwortlich, wenn Antifaschisten nicht versuchen würden, gerade um diese Menschen und mit ihnen für ihre Interessen zu kämpfen.

Das Gespräch führte Björn Blach

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"Nicht alles in einen Topf werfen", UZ vom 14. Juli 2023



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