Zu Sozialprotesten

Nicht abwarten!

Die Inflation, vor allem die Explosion der Energiepreise, wird hunderttausende Menschen in die Armut treiben. Hunderttausenden Familien droht Armut und die Millionen, die in unserem Land bereits in Armut leben, werden frieren und hungern. Wer einen Kredit aufgenommen hat, wird Probleme mit der Finanzierung kriegen – das trifft Arbeiter, Angestellte und Kleingewerbetreibende. Viele, die ihr Eigenheim abbezahlen müssen und dies nicht mehr können, müssen mitansehen, wie Banken sich das Ersparte unter den Nagel reißen.

Die Probleme häufen sich und wirken in die Zukunft: Die Zahl der Kinder, die in diesem reichen Land Mangel leiden und erkranken, steigt. Hunderttausende, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, werden mit ihrer Rente nicht mehr hinkommen und bei den Tafeln Schlange stehen – wenn sie überhaupt noch angenommen werden.

Die angeblichen Entlastungs- und Hilfspakete sind Augenwischerei. Sie tragen nichts zur Lösung der Probleme bei, die die Regierung mit ihrer Konfrontations- und Sanktionspolitik geschaffen hat. Ein Beispiel: Wir werden zu zweit (weil beide arbeiten) diesen Monat 600 Euro brutto bekommen. Nach Abzug der Steuern bleiben weniger als 400 Euro übrig. Das gleicht in etwa die höheren Gaspreise von Oktober bis Mitte Dezember aus – für die explodierenden Preise für Benzin, Strom und Lebensmittel bleibt von vorneherein nichts. Ab Mitte Dezember schlägt dann alles voll durch – schöne Weihnachten.
Angesichts dieser Situation ist es noch viel zu ruhig in diesem Land. Die gewerkschaftliche Debatte und Aktion ist völlig unterentwickelt. Eine Kollegin berichtet von einer gewerkschaftlichen Konferenz der mittleren Ebene, dass die Situation der Massen kaum eine Rolle spielte. Eine konkrete Aktionsorientierung wurde auch nicht diskutiert. Es gab lediglich die Warnung, dass man das Feld nicht den Rechten überlassen dürfe. Das Letztere stimmt natürlich, klappt aber nur, wenn wir auch etwas dafür tun.

Viele knüpften und knüpfen Hoffnung an die Linkspartei. Tatsächlich scheint es eine Orientierung auf lokale Bündnisse und Aktivitäten zu geben. Das ist gut. Allerdings fällt auf, dass offenbar vermieden werden soll, die Aktionen gegen Verarmung mit der Forderung nach Ende des Wirtschaftskriegs und der Hochrüstung zu verbinden. Dabei liegt auf der Hand, dass die Energiepreisexplosion Mitte letzten Jahres und damit lange vor dem russischen Angriff begann. Nun wird sie aber durch den unsinnigen und völkerrechtswidrigen Wirtschaftskrieg gegen Russland weiter verstärkt. Es liegt außerdem auf der Hand, dass die 100 Milliarden „Kriegskredite“ und die zusätzlich massive Steigerung des Kriegshaushalts den sozialen Kahlschlag befördern.
Deswegen muss der Wirtschaftskrieg beendet und die Hochrüstung gestoppt werden, wenn die Verarmung bekämpft werden soll: „Heizung, Brot und Frieden“!

Unser UZ-Pressefest war ein guter Impuls. Die Orientierung war klar: Wir brauchen jetzt überall, in Städten und Gemeinden, an Schulen, Universitäten, in Betrieben Aktionen für Frieden – gegen Hochrüstung und sozialen Kahlschlag. Die Politik der Herrschenden liefert uns viele Argumente. Wie kann es sein, dass Rüstungsindustrie, die meisten Energiekonzerne, die Lebensmitteldiscounter explodierende Gewinne haben, während wir verarmen?

Wie kann es sein, dass die wenigen Großunternehmen, die Probleme bekommen, mit unserem Geld (Gasumlage) gerettet werden, während Hunderttausende von uns in den Ruin gehen? Wie kann es sein, dass plötzlich dreckiges, teures Frackinggas, Kohle-, und Atomenergie von Grünen gefördert werden, weil das Wohl der Menschen und der Umwelt dem Ziel untergeordnet wird, Russland zu ruinieren?
Es kann hier kein Abwarten geben. Wir müssen – wenn möglich natürlich gemeinsam mit anderen – den Impuls für Massenwiderstand geben. Für Heizung, Brot und Frieden! Gegen den Wirtschaftskrieg, Hochrüstung, Armut und diejenigen, die daran verdienen!

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Nicht abwarten!", UZ vom 16. September 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flagge.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit