Katalonien: Die antikapitalistische CUP könnte über das Ende des Unabhängigkeitsprozesses entscheiden

Neuwahlen oder Unabhängigkeit

Von Carmela Negrete

Die Candidatura d‘Unitat Popular (Kandidatur der Volkseinheit, CUP) hat den Präsidenten Artur Mas nicht bei seiner Wiederwahl unterstützt. Mas, von der rechten Partei Convergència Democràtica de Catalunya (CDC), fehlten so die nötigen Stimmen, er bleibt aber als geschäftsführender Präsident im Amt. Diese Entscheidung hatte deshalb so große Bedeutung, weil Mas an der Spitze des Bündnisses „Junts pel Sí“ (JxS) steht, das mit der linksrepublikanischen Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) nach der Unabhängigkeit Kataloniens strebt.

In der vergangenen Woche hatte das katalanische Parlament eine Resolution für die Unabhängigkeit verabschiedet. Dieser Beschluss sieht vor, die Trennung vom spanischen Staat im Laufe der nächsten 18 Monate zu vollziehen. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy kündigte an, dagegen „alle Mittel des Staates zu nutzen.“ Viele sehen die verborgene Gefahr eines neuen Bürgerkrieges, so der Journalist Iñaki Gabilondo von der bürgerlichen Zeitung „El País“. In einem Videoblog äußerte er: „Das, was kommt, macht mir Angst.“

Der nun begonnene Prozess zur Unabhängigkeit könnte nur verschoben werden, wenn Neuwahlen ausgerufen werden. Im Lager des Präsidenten Mas werden die Stimmen lauter, die genau das fordern. So ersuchte der Wirtschaftsberater der katalonischen Regierung, Andreu Mas-Colell, den Präsidenten darum, mit Neuwahlen auf die „parlamentarische Unreife“ der CUP zu reagieren.

Bei Neuwahlen, so die jüngsten Umfragen, könnte das Bündnis „Junts pel Sí“ eine absolute Mehrheit im Parlament erreichen. Auch die CUP könnte Stimmen dazugewinnen und weitere sechs Abgeordnetensitze erhalten. Das würde bedeuten, dass noch mehr Katalanen indirekt dem Unabhängigkeitsprozess zustimmen würden.

Dass die CUP sich weigerte, Mas mit ihren Stimmen zum Präsidenten zu wählen, war nicht neu – sie hatte es lange vorher angekündigt. Die Basis der CUP lehnt eine Unterstützung von Mas ab. Denn die antikapitalistischen Vorstellung der Partei passen nicht zu den Plänen von Mas – denn dieser ist nicht nur rechts, er hatte auch in den vergangenen Jahren zahlreiche Kürzungen entsprechend dem Diktat der Troika umgesetzt.

Die Plattform „Null Armut“ (Pobreza cero) erinnerte nach den Wahlen daran, dass jeder fünfte Einwohner Kataloniens heute in Armut lebt. Sie fordert „einen Wandel in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, damit es sich an der globalen Gerechtigkeit orientiert.“ „Junt pel Sí“ und die CUP begrüßten diese Forderung. Die CUP setzt sich hartnäckig für soziale Veränderungen ein, während die Partei des Präsidenten die Trennung von Spanien in den Vordergrund stellt.

Die CUP kritisiert auch die Korruption der Partei des Ministerpräsidenten: Die Korruptionsfälle, in die Mas verwickelt war, seien „ein schweres Paket, das er zu tragen hat und das den Unabhängigkeitsprozess gefährden könnte“, erklärte der ehemalige CUP-Abgeordnete David Fernández. Außerdem kritisiert die CUP den Personenkult der Regierenden: „Wir glauben, dass der ehemalige Präsident Pujol für Katalonien sehr negativ war, weil damals sehr oft Präsident, Partei und Land vermischt wurden“, so der Abgeordnete Benet Salellas im Interview mit Catalunya Radio.

Die antikapitalistische CUP hat in den letzten Monaten viel Zulauf bekommen. Heute ist sie die drittstärkste Kraft im Parlament – stärker sogar als die PSOE (Spanische Sozialistische Arbeiterpartei). Bei den letzten Wahlen im November erhielt sie zehn Sitze. „Junts pel Sí“ war damit zu einer Koalition mit der CUP gezwungen, der rechte Flügel der Partei des Präsidenten sieht diese Zusammenarbeit mit Sorge.

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"Neuwahlen oder Unabhängigkeit", UZ vom 20. November 2015



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