Grundlage dieses gekürzten Textes ist ein Reader der DKP Bad Kreuznach.
Die vollständige Version finden Sie auf www.dkp-bad-kreuznach.de.
Die Stadtwerke Bad Kreuznach, die rund 71 000 Menschen in der Stadt und in 19 angeschlossenen Gemeinden mit Trinkwasser versorgen, und die politisch Verantwortlichen planen für diese ein neues Tarifsystem. Die „Grundgebühren“ sollen massiv angehoben, der Verbrauchspreis pro Kubikmeter dafür deutlich gesenkt werden.
Solche Tarifsysteme bevorzugen grundsätzlich jene, die überdurchschnittlich viel verbrauchen oder als industrielle und gewerbliche Großverbraucher viel benötigen, benachteiligen aber andere, die sparsamer mit dem Lebensmittel Nummer eins umgehen. Neu soll auch sein, dass die Grundgebühren nicht mehr pro Wasseruhr, in den meisten Fällen also pro Haus, berechnet werden, sondern pro Wohnung.
Dass das Ganze wegen des hohen Anteils an Fixkosten gerechter sein soll, ist allenfalls eine zweckdienliche Behauptung der Verantwortlichen, aber keine belegbare Feststellung. Auch dass Gerichte und Kartellbehörden das Verfahren abgesegnet haben, ist kein Beleg dafür. Wir halten es für gerechter, wenn Verbrauchspreise dadurch gebildet werden, dass die Gesamtkosten durch die Gesamtmenge geteilt werden, zusätzliche Kosten sich dann je nach individuellem Verbrauch in der Rechnung niederschlagen. Das trifft natürlich vor allem gewerbliche Großverbraucher mit einer Abnahme von Tausenden von Kubikmetern im Jahr.
Das mag auch größere Familien treffen, wenn Kosten voll auf Kubikmeterpreise umgelegt würden. Aber die müssen zielgerichtet unterstützt werden, z. B. durch höheres Kindergeld, statt mit ein paar Tropfen aus jener Gießkanne, deren Inhalt hauptsächlich Industrie und Gewerbe zugute kommt, ähnlich wie Steuerfreibeträge, die vor allem Großverdienern nutzen.
Die Umstellung soll so vorgenommen werden, dass bei gleichen Abgabemengen die Einnahmen gleich bleiben. Das heißt dann aber, dass das, was die „Verlierer“ mehr bezahlen, nicht etwa in die Sicherung der Infrastruktur fließen würde, sondern den „Gewinnern“ zugute käme. Führte die Senkung des Verbrauchspreises aber nur zu zehn Prozent mehr Verbrauch, stiegen die Einnahmen um über eine halbe Million Euro. Ist das einkalkuliert?
Käme hinzu, dass die Entwicklung in Richtung „Flatrate“, wie es sie z. B. in den USA gibt, geradezu zu mehr Wasserverbrauch einladen würde. Derzeit ist das in unseren Breiten noch kein existenzielles Problem wie in anderen Teilen der Welt, wo Hunderten Millionen Menschen kein sauberes und bezahlbares Trinkwasser zur Verfügung steht. Aber jeder Kubikmeter erfordert menschliche Arbeit auch der Beschäftigten der Stadtwerke, Maschineneinsatz und Energie, Ressourcen, mit denen nachhaltig umgegangen werden sollte.
Aufwändige Wasseraufbereitung
Die Stadtwerke Bad Kreuznach liefern ohne Zweifel Wasser in guter Qualität, was einigen Aufwand erfordert. Bevor es via Leitungsnetz zu den Verbrauchern kommt, wird es – zumindest für die meisten Orte – enthärtet, da das Quellwasser in unserer Region naturgegeben sehr kalkhaltig ist. Uran und andere natürliche sowie menschengemachte Schadstoffe werden herausgefiltert oder neutralisiert, ebenso wie Nitrat, das aufgrund jahrzehntelanger Überdüngung durch die Landwirtschaft zum Problem wurde. Noch heute müssen aus stadtnahen Brunnen die Hinterlassenschaften der US-Armee bzw. ihrer Großwäscherei in Form von chlorierten Kohlenwasserstoffen gefiltert werden.
Seit zehn Jahren ist die Menge des abgegebenen Wassers ausweislich der veröffentlichten Geschäftsberichte der Stadtwerke stabil, was sicher auch mit der positiven Bevölkerungsentwicklung in Bad Kreuznach und Umgebung nach der Entmilitarisierung zu tun hat. Vor Ort gibt es also keinen Rückgang, mit dem eine angebliche Notwendigkeit für ein anderes Abrechnungsmodell begründet werden soll.
Sehr stabil sind auch die „Sonderzahlungen an Dritte“, sprich an die Anteilseigner RWE und Enovos, die nach der Teilprivatisierung des früheren kommunalen Eigenbetriebs jeweils knapp ein Viertel der Anteile kauften. In den letzten zehn Jahren (bis 2014) kassierten sie unter dem euphemistischen Begriff „Verzinsung“ getarnt Profite in Höhe von 140 Prozent des Nennwerts ihrer Geschäftsanteile. Eine wirklich tolle Verzinsung in Zeiten, in denen die Sparer mit viel Glück 0,1 Prozent für ihre Einlagen bekommen. Zudem verdienen diese Anteilseigner auch als Lieferanten von Strom und Gas an die Stadtwerke zusätzlich.
Etwas mehr als die Hälfte der Anteile gehören der Stadt, indirekt über die Städtische Beteiligungsgesellschaft und zu einem Bruchteil direkt. Die Oberbürgermeisterin ist Aufsichtsratsvorsitzende, die Aufsichtsratsmitglieder, soweit nicht von RWE und Enovos, sind vom Stadtrat gewählte Kommunalpolitiker. Sie haben die Mehrheit, sie entscheiden auch über die Regeln darüber, wer künftig wie viel für sein Wasser in Bad Kreuznach bezahlen soll. Das aber hinter verschlossenen Türen und unter Berufung auf Verschwiegenheitspflichten. Offensichtlich überhaupt nicht gefragt werden die Gemeinderäte jener 19 Orte mit fast 20 000 Einwohnern, die auch ihr Wasser von den Stadtwerken beziehen.
Grundsätzlich sind wir als Bad Kreuznacher DKP der Meinung, dass solche Betriebe der Grundversorgung kommunale Eigenbetriebe sein müssen.
Privatisierung ist auch Entdemokratisierung
Wenn unter Ausnutzung der Monopolstellung ohne effektive öffentliche Kontrolle die Geschäftspolitik durchgezogen wird, dann ruft das auch jene auf den Plan, die trotz aller schlechten Erfahrungen nach der Privatisierung schreien. Mag sein, dass das derzeit rechtlich in Rheinland-Pfalz nicht möglich ist. Aber jene, die von der Bundesebene aus daran beteiligt sind, dass z.B Griechenland zur Wasserprivatisierung gezwungen wird, üben da möglicherweise jetzt erst mal im Ausland. Privatisierung, ob zu Hause oder sonstwo, nutzt immer nur den neuen Eignern. Sie ist zudem immer ein Stück Entdemokratisierung, werden doch für die Mehrheit der Menschen wichtige Einrichtungen einer demokratischen Steuerung entzogen. So auch in Bad Kreuznach, wo z. B. nach dem Verkauf der Busbetriebe nicht mal ein einheitlicher Tarif in alle Stadtteile möglich ist, ohne dass private Betreiber dafür jährlich Hunderttausende Euro wollten.
Die Informationspolitik der Stadtwerke war bisher alles andere als transparent. Floskeln wurden verbreitet, aber nicht mit Zahlen und Fakten untermauert. Öffentlicher, mit Zahlen unterlegter Kritik, wurden nur Sätze wie jener, nach dem nicht alles stimme, was da geschrieben werde, entgegen gehalten. Im Zuge einer Informationsveranstaltung am 25.10.2016 wurden dann die Anwesenden mit einer 25-seitigen Präsentation und fast 90 Minuten Vortrag teils „erschlagen“.
Vorgestellt wurde das neue System von einem Mitarbeiter der MOcons GmbH & Co. KG, die solche Umstellungen offenbar schon mehrfach durchgezogen hat, gegen gute Bezahlung versteht sich. Dabei wurde das Lob einer FDP-Vorfeldorganisation, des sogenannten Bundes der Steuerzahler, einer Lobby von mittelständischen Unternehmern und Freiberuflern, für MOcons? Konzepte hervorgehoben. Bei Kommunalpolitikern mit etwas sozialer Kompetenz müssten spätestens da alle Warnlampen leuchten, wenn dieser Verein, als dessen Landesvorsitzender der FDP-Mann Rainer Brüderle agiert, ins Spiel gebracht wird.
Befasst man sich etwas ausführlicher mit dem Zahlenwerk vom 25. Oktober, nimmt die im Bundesanzeiger veröffentlichten Rechenschaftsberichte und die lokalen Medienberichte hinzu und recherchiert etwas im Internet, dann bestätigt sich das, was oben von uns gesagt wurde: Das neue Tarifsystem ist unsozial, unökologisch und für Großverbraucher ein Wirtschaftsförderungsprogramm zu Lasten der sparsamen Verbraucher und der Einpersonenhaushalte.
Wir unterstützen die Forderung der „Linken“ im Stadtrat, Gewinne der Stadtwerke aus der Sparte Wasserversorgung nicht mehr an die Anteilseigner auszuschütten, sondern ausschließlich für die Sicherung der Infrastruktur zu verwenden. Dann könnten gegebenenfalls auch die Wasserverluste im Netz, 2014 waren es 12,1 Prozent, auf welche die BÜFEP hinweist, zumindest auf den Bundesdurchschnitt gesenkt werden.
Wir stellen als Bad-Kreuznacher DKP mit anderen die Frage, warum Konzerne wie RWE und Enovos, das Steuerparadies Großherzogtum Luxemburg ist einer der Hauptanteilseigner, am Wasserverbrauch vom 71 000 Menschen unserer Region mitverdienen müssen. Ansonsten stellt derzeit aber keine lokale politische Kraft außer den hier genannten öffentlich erkennbar solche Fragen.
Nicht für, sondern mit den Betroffenen handeln
Als kleine Partei mit zwar hochmotivierten Mitgliedern, aber wenig materiellen Mitteln und keinem parlamentarischen Einfluss können wir nicht stellvertretend für die Betroffenen die Auseinandersetzung führen. Und wir wollen das auch nicht. Wir wollen mit dieser Dokumentation Anstöße dafür geben, dass sich die Betroffenen jetzt selbst zu Wort melden, an die Stadtwerke oder die Oberbürgermeisterin schreiben, Leserbriefe verfassen und ihre Meinung bei jeder Gelegenheit kundtun.
Jetzt ist die Zeit dazu noch da, noch ist nichts endgültig beschlossen. Wenn im Frühjahr 2018 dann die Wasserrechnungen und die Nebenkostenabrechnungen in den Briefkästen liegen, die Verantwortlichen die erfolgreiche Einführung ihres neuen Systems feiern, dann kann es zu spät sein. So werden verspätete Proteste dann auch 2018 möglicherweise folgenlos verhallen. Und für die Kommunalwahl 2019 werden die Verantwortlichen hoffen, dass dann wieder alles vergessen sein wird. Wer zu spät kommt, den bestraft möglicherweise auch hier das Leben, und sei es via Wasserrechnung.