Medienkampagne gegen China: Wirtschaftliche und kulturelle Fortschritte im Uigurischen Autonomen Gebiet kein Thema

Neues aus Xinjiang

Uwe Behrens

Kurz vor dem China-Besuch von Wirtschaftsminister Robert Habeck erschienen in den drei deutschsprachigen Ländern gleichlautende Beiträge zu angeblichen Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang. Diese kommen offensichtlich alle aus ein und derselben Quelle und wurden gern weiterverbreitet. Andere Konflikte hatten vorübergehend die Aufmerksamkeit der deutschsprachigen „Qualitätsmedien“ vom „Fehlverhalten“ Chinas abgelenkt – das durfte nicht von Dauer sein. Um in der Bevölkerung der westlichen Länder die Zustimmung zum bereits geführten Handelskrieg der USA gegen China und zum beabsichtigten der EU zu erhalten, muss die ideologische Komponente aufgebaut werden – der hybride Krieg wird eskaliert.

Was war passiert? In der Autonomen Provinz Xinjiang hat die Kommunistische Partei uigurische Straßen- und Ortsnamen, die auf religiöse – islamistische – Bezüge hindeuten, verändert und durch Namen wie „Harmonie“, „Glück“ oder „Einheit“ ersetzt, die auf die chinesische Kultur Bezug nehmen. Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) spricht in ihrem Artikel von Apartheid. Die Änderung von Straßen- und Ortsnahmen ist gerade für uns Deutsche nicht ungewöhnlich, wurden doch nach der Eingliederung der DDR in die BRD viele Namen mit Bezug auf die Kämpfe der deutschen Arbeiterklasse verändert.

Geschichte und Traditionen

Um zu verstehen, was in den letzten Jahren in Xinjiang geschah, ist ein Blick in die Geschichte erforderlich. Die an zentralasiatische Länder und die Mongolei grenzende Region wurde in der Zeit der Qing-Dynastie im 18. Jahrhundert integrierter Teil des chinesischen Kaiserreichs. Nach der bürgerlichen Revolution, der Gründung der Republik China 1912 und dem in den folgenden Jahren einsetzenden Zerfall der Einheit des Landes aufgrund der Aktivitäten inländischer Warlords und ausländischer Mächte sowie des bis 1949 andauernden Bürgerkrieges versuchten auch separatistische ethnische Gruppen – wie die Uiguren in der Region Xinjiang – unabhängige Staaten zu gründen. Diese waren aber nur von kurzzeitiger Dauer und niemals international anerkannt.

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Traditionelle Landwirtschaft: Ein Kamelzüchter in Fuhai im Nordwesten Xinjiangs (15. April 2020). (Foto: Xinhua/Ding Lei)

Die Region ist geprägt durch Grasland, Wüsten und Gebirge mit nur bescheidener landwirtschaftlicher Nutzung. Entsprechend lagen traditionell der Wohlstand sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung weit unter dem anderer Regionen Chinas, insbesondere den industriellen Provinzen im Osten des Landes, an den Küsten. Mit der Gründung der Volksrepublik brach eine neue Zeit an. Die rückständige, teils noch unter mittelalterlichen Bedingungen lebende multiethnische Bevölkerung sollte am Aufbau des neuen Chinas teilhaben.

Aufbauanstrengungen

Um diese Wohlstandsunterschiede auszugleichen, aber auch die Bodenschätze zu nutzen, wurde durch die Volksrepublik verstärkt in den Aufbau einer produktiven Landwirtschaft und einer neuen Rohstoffindustrie sowie in die Schaffung einer Infrastruktur investiert, was mit einem starken Zuzug von Nicht-Uiguren, vor allem Han-Chinesen, verbunden war. Nach dem Ende des Bürgerkrieges und des Koreakrieges wurden zahlreiche demobilisierte Soldaten in Xinjiang angesiedelt, um die an Rohstoffen reichen Wüsten und Gebirge sowie die landwirtschaftlich kaum genutzten Graslandflächen zu erschließen. Die umfangreichen Bewässerungsanlagen für die spätere, heute durch die USA sanktionierte Baumwollproduktion wurden angelegt. Der Anschluss an das chinesische Eisenbahn- und Straßenverkehrsnetz bildete die Grundlage für die Industrialisierung.

Konflikte und terroristische Gewalt

Mit dem weiteren Zuzug von chinesischen Bürgern – vor allem Industriearbeiter, Ingenieure und Landwirte aus allen Teilen des Landes – entwickelten sich zeitweilig und örtlich Spannungen mit der teils noch immer halbnomadisch lebenden Bevölkerung. Vereinzelt traten gewalttätige Konflikte auf. Diese Situation wurde durch die in den Nachbarländern Afghanistan und Pakistan ausgetragenen militärischen Auseinandersetzungen befeuert. Im an China grenzenden afghanischen Wakhan-Korridor wurden gewaltbereite Uiguren – gemeinsam mit den Taliban – für einen religiösen Kampf ausgebildet. Später kamen vereinzelte uigurische Gruppen in Kontakt mit terroristischen Organisationen anderer Länder. Der islamistische IS rekrutierte gewaltbereite Uiguren für Aktionen inner- und außerhalb Chinas. Bereits in den Jahren zwischen 2000 und 2010 kam es wiederholt zu terroristischen Anschlägen in Xin­jiang und anderen Teilen der Volksrepublik. Hunderte von Opfern unter der Zivilbevölkerung und den Sicherheitskräften waren zu beklagen. Eine Vielzahl kleiner und größerer Anschläge auf örtliche Behörden, staatliche Vertretungen, Schulen und Gesundheitseinrichtungen versetzte die Region in Unruhe. Nur die größeren Anschläge weckten die Aufmerksamkeit nationaler und zum Teil auch internationaler Medien:

2010 – Aksu-Bombing, sieben Tote und viele Verwundete; 2011 – Hottan-Anschlag, 18 Tote; 2012 – Yechen-Anschlag, 20 Tote; 2013 – Bachu- und Shanshan-Anschlag, 56 Tote; 2014 – Kunming-Bahnhof-Messeranschlag, 31 Tote und 144 Verwundete sowie ein Anschlag mit einem Pkw in Peking mit ebenfalls mehreren Toten. Die tödlichen Attentate wurden auch von internationalen Medien bestätigt – so berichteten die „Washington Post“ am 22. Mai 2014 und die BBC am 26. September desselben Jahres über die Anschläge in Xinjiang.

Gegenmaßnahmen

Die Zunahme der terroristischen Anschläge veranlasste die chinesische Regierung 2014, den Ausnahmezustand zu erklären und drastische Sicherheitsmaßnahmen einzuleiten. Mehrere Terrorgruppen in ganz Xinjiang konnten entlarvt werden. Über 30.000 Terroristen und des Terrorismus verdächtige Personen wurden verhaftet und tausende leichter Waffen aller Gattungen und Sprengkörper beschlagnahmt.

Neben den nach 2014 eingeleiteten Antiterrorismusanstrengungen startete die Kommunistische Partei in Übereinstimmung mit den staatlichen Institutionen ein umfassendes Programm der Überwindung der absoluten Armut.

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Eine neue Bahnstrecke entsteht: Schienen werden für die Strecke von Hotan nach Ruoqiang gelegt (27. September 2021). Die Bahnstrecke verläuft entlang der Taklamakan-Wüste. Die Rundstrecke ist ein nationales Entwicklungsprojekt mit einer Strecke von über 825 Kilometern. (Foto: Xinhua / Mu Zhipeng)

Die Provinz wurde komplett mit Eisenbahnstrecken, Straßen und Autobahnen erschlossen. Die modernen Highspeed-Züge erreichen bereits Ürümqi und bald Kaschgar. Das Netz der Telekommunikation funktioniert auf 4G- und 5G-Basis selbst in den Wüsten und den angrenzenden Gebirgen lückenlos, auch mit einem zuverlässigen Internet-Zugang. Zwischen den Städten Xinjiangs und wohlhabenderen Provinzen im Osten des Landes wurden Partnerschaftsvereinbarungen getroffen, die vorsehen, erfahrene Manager und Kader zu entsenden. Deren Aufgabe bestand darin, Entwicklungsprojekte auszuarbeiten und umzusetzen. Das gleiche Prinzip wurde in anderen Provinzen wie Guizhou oder Sichuan erfolgreich umgesetzt und international gelobt.

So wurden in den vergangenen Jahren etwa drei Millionen Uiguren – ein Drittel der gesamten Bevölkerung –, die in rund 3.670 Dörfern lebten, aus der Armut befreit – auch indem 170.000 Menschen in neu gegründete Dörfer und Kleinstädte mit modernen Sozialeinrichtungen umgesiedelt wurden.

Wirtschaftliche Modernisierung

Die Entwicklungsprojekte umfassen neben dem Aufbau einer digital gestützten Kleinindustrie in den Dörfern auch den Aufbau moderner Produktionseinrichtungen für die Textil-, Auto- oder Elektronikindustrie. Die dafür erforderlichen Arbeitskräfte werden aus der lokalen Bevölkerung rekrutiert, was zwangsläufig mit einer intensiven Ausbildung verbunden sein muss. Gleichzeitig zieht diese Industrialisierung eine Umsiedlung in die neuen Industriezentren nach sich.

Ein Beispiel unter vielen ist der Aksu Industrial Park, aufgebaut von der Firma Huafu Fashion Co. Ltd.. Die Arbeiter wurden während der Errichtung des Industrieparks teils im Stammwerk in der Provinz Zhejiang ausgebildet und übernahmen dann die Produktion in eigener Hand. Wie in allen ostasiatischen Ländern unterstreichen die Mitarbeiter ihre Zugehörigkeit zu ihrem Unternehmen durch das Tragen von Uniformen, was als Hinweis angesehen wird, dass es sich um Zwangsarbeiter handeln könnte.

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2020 haben die USA ein Einfuhrverbot von Baumwolle aus Xinjiang erlassen. Begründet wird dieses mit dem Vorwurf, bei der Produktion sei Zwangsarbeit zum Einsatz gekommen (Shawan, Xinjiang, 23. Oktober 2021). (Foto: Xinhua/Hu Huhu)

Auch die Landwirtschaft wurde industriell umgewandelt. Speziell US-amerikanische Exporteure von Landwirtschaftsmaschinen machten das Geschäft des Jahrhunderts, indem sie die Erntemaschinen für die Baumwollindustrie lieferten. Heute sind mindestens 80 Prozent der Baumwoll-ernten mechanisiert. Das führte zu einem starken Rückgang der Erntehelfer: Wurden noch 2008 rund 700.000 vertraglich gebundene Erntehelfer aus ganz China gebraucht, waren es bereits 2018 nur noch etwa 100.000 – allerdings nur aus dem Autonomen Gebiet Xinjiang.

Kampagne gegen China

Eingebettet in die geopolitische Auseinandersetzung der USA und ihrer Verbündeten mit der Volksrepublik nahmen diese den Antiterrorismuskampf und die Anstrengungen im Rahmen der Industrialisierung und der Überwindung der absoluten Armut zum Anlass, eine Kampagne wegen angeblicher Verletzung der Menschenrechte in China loszutreten. Dabei blendeten sie zunehmend die Ursachen für die drastischen Sicherheitsmaßnahmen aus. In den Medien werden die beiden Seiten des Antiterrorismus – Sicherheitsmaßnahmen und Erhöhung des Wohlstands – bewusst vermischt. Die Ausbildung lokaler Arbeitskräfte in Berufsbildungszentren oder in den Stammunternehmen an der Ostküste wird als Zwangsarbeit deklariert – eine Million Uiguren sei angeblich in „Umerziehungslagern“ interniert. Die Verbesserung der sozialen Lage vor allem der Frauen und Mädchen durch Schulbildung, medizinische Betreuung und Geburtenkontrolle wird als Genozid bezeichnet.

All das stellt die Glaubwürdigkeit der Beschuldigungen infrage, lässt die Absicht dahinter klar erkennen: Destabilisierung Chinas mit dem erklärten Ziel, den erfolgreichen Aufstieg des Landes zu verhindern, mindestens aber zu verlangsamen. Dazu dienen Verleumdungen und Diskriminierungen, die jeglicher Belege entbehren. So veröffentlichte der ehemalige US-Außenminister Michael Pompeo am 20. Juni 2021 ein Statement, in dem er China vorwirft, einen Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen.

Gegenstimmen

Am 11. September 2023 erschien in der NZZ ein Bericht über eine private Reise nach Xinjiang. Zwei Senioren der deutschen Sinologie hatten diese gemeinsam mit dem renommierten Völkerrechtler Norman Paech unternommen. In diesem Bericht beschreiben sie, dass sich das Leben im Autonomen Gebiet Xinjiang, wo verschiedene Minoritäten und Religionsgemeinschaften zusammenleben, normalisiert habe: „Aufseiten der uigurischen Bevölkerung stoßen die von der Zentralregierung angestoßenen Modernisierungen in Sachen Bildung, medizinische Versorgung und Arbeit unübersehbar auf Sympathie. (…) In die gleiche Richtung geht eine regional aufgeteilte und angepasste Entwicklungshilfe und Ressourcenbereitstellung durch chinesische Provinzen aus dem wohlhabenderen Osten des Landes. Erkennbar wird diese an modernen Berufsausbildungszentren in jedem Xinjianger Landkreis. Studierende erhalten neben kostenfreier Ausbildung monatlich 200 Yuan zur Unterstützung der Eltern. Staatlich geförderte Ansiedlung von modernen Zweigbetrieben im Agrar- und Industriesektor, die zu landesweit gültigen Mindestlohnstandards nahezu ausschließlich Uiguren einstellen müssen, sollen das Beschäftigungsproblem lösen helfen.“

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Neue Industrie, neue Perspektiven: Arbeiter im Werk der Firma Shaanxi Auto Xinjiang Automobile in Ürümqi, der ­Hauptstadt Xinjiangs (24. September 2020). (Foto: Xinhua/Wang Fei)

In den deutschen „Qualitätsmedien“ konnte man diese Aussagen nicht lesen, eher das überholte Gegenteil. Von den einschlägigen Thinktanks wurden die Sinologen heftig kritisiert.

Eigene Eindrücke

Ich selbst habe 27 Jahre in Asien als Logistikmanager für deutsche und französische Unternehmen gearbeitet und gelebt, davon 17 Jahre in China und acht in Indien. In dieser Zeit bereiste ich viele Male Xinjiang und unterhielt ein Zweigbüro in Ürümqi. Ich hatte als Mitarbeiter und Kunden sowohl Uiguren als auch Kasachen, Tadschiken und Han-Chinesen. Ich lernte die Kulturen hautnah kennen. Um einen eigenen Einblick zu bekommen, beschloss ich, meinen für im vergangenen Jahr im Oktober/November geplanten Besuch in China zu nutzen, um einen Abstecher nach Xinjiang zu machen. Ich reiste mit einem Mietauto gemeinsam mit meiner Frau über den Karakorum-Highway bis zur afghanischen und pakistanischen Grenze, besuchte viele kleine Dörfer und Viehmärkte, aber auch die Städte Ürümqi, Kaschgar und Taschkorgan sowie mehrere touristische Zentren.

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Nachbarn beim Plausch (Tacheng, Xinjiang, 2. April 2020) (Foto: Xinhua/Zhao Ge)

Nach dieser kurzen Reise kann ich mit gutem Gewissen die oben zitierten Aussagen der Sinologen bestätigen. Von einer „Unterdrückung einer Minderheit“ konnte ich während der gesamten Reise nichts erkennen – im Gegenteil: Ich sah zufriedene Menschen, neu gebaute Wohnviertel, Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten und moderne Fabriken sowie aktive Logistikunternehmen.

Norman Paech gab im Juni 2024 dem YouTube-Kanal WeltTV ein Interview zum Thema „Lüge und Wahrheit über Xinjiang“, in dem er unter anderem bestätigte, dass es nach seinen Beobachtungen keine Anzeichen für Genozid gibt oder gab. Auch wenn es im Rahmen der Antiterrormaßnahmen zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sein sollte, konnte er eine erfolgreiche Politik der Entwicklung sehen. Es hat ihn beinahe umgehauen, als er die modernen Städte sah, die ihn an Dubai erinnerten.

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Uwe Behrens (Foto: © Robert Allertz | eulenspiegel.com)

Uwe Behrens ist Autor der bei „edition ost“ erschienenen Bücher „Der Umbau der Welt. Wohin führt die Neue Seidenstraße?“ und „Feindbild China“. Er veröffentlicht zudem regelmäßig Beiträge in der deutschsprachigen Ausgabe der in Peking herausgegebenen Zeitschrift „China Heute“

.Interview mit Prof. Norman Paech – Lügen und Wahrheit über Xinjiang uzlinks.de/PaechXinjiang

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"Neues aus Xinjiang", UZ vom 12. Juli 2024



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