Ab dem 20. Juli wollen die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) für einen Monat einseitig die Angriffe auf Einheiten und Stellungen des kolumbianischen Regierungsheeres einstellen. Damit sollen, so ein Kommuniqué des FARC-Generalstabs vom 8. Juli, „günstige Bedingungen geschaffen werden, mit der Gegenseite einen bilateralen und endgültigen Waffenstillstand zu erreichen“.
Man muss keine prophetische Gabe haben um anzunehmen, dass die Regierung zum wiederholten Male auf genau diesen guten Willen mit Angriffen antworten wird. Noch am 21. Mai hatte es die gezielte und bewusste Tötung des Unterhändlers Jairo Martínez gegeben, der noch wenige Tage zuvor zur FARC-Gruppe gehört hatte, die in Havanna mit der Regierung über eine Beendigung des 67 Jahre währenden Konflikts redet, und der gerade dabei war seine Einheiten über die erzielten Zwischenergebnisse zu unterrichten. Mit ihm starben mehr als drei Dutzend Guerilleras und Guerilleros.
Die FARC-Kommandanten beziehen sich mit ihrer Ankündigung auf einen Aufruf der Garantiestaaten Kuba und Norwegen und der den Verhandlungsprozess materiell und politisch begleitenden Chile und Venezuela, die am 7. Juli zu einer Deeskalation und vertrauensbildenden Maßnahmen aufgefordert hatten. Die FARC bitten in diesem Sinne um Unterstützung der kolumbianischen Gesellschaft, namentlich der Kirchen, der Breiten Front für den Frieden sowie der Bewegung für eine Friedensverfassung.
Wenn auch die Ankündigung von vielen Seiten begrüßt wird und auch Präsident Juan Manuel Santos damit eine Möglichkeit in die Hand gegeben wurde, sich gegen die noch rechts von ihm stehenden absoluten Hardliner um seinen Vorgänger Álvaro Uribe zu positionieren, so bleiben Zweifel bezüglich der Erfolgsaussichten. Nach der letzten einseitigen Waffenruhe seitens der FARC (für etwa fünf Monate bis zum 22. Mai, nach dem Bombardement in Guapi) ist der Konflikt wieder auf das Niveau der 80er Jahre eskaliert, und die Tage seit dem 22. Mai waren sogar die blutigsten seit dem Jahr 2010, so das „Zentrum für Konfliktanalyse“ (CERAC). Es verweist darauf, dass die FARC-Angriffe im ersten Monat nach dem 22. Mai gegenüber dem monatlichen Niveau seit 2010 um 65 Prozent zugenommen haben; gegenüber dem Durchschnitt des Jahres 2014 gar um 78 Prozent. Während der einseitigen Waffenruhe der FARC hatten deren Einheiten jeweils nur auf Angriffe des Heers reagiert.
Die veröffentlichten Zahlen strafen die Propaganda der Regierung Lügen, die Guerilla lasse sich militärisch besiegen. Der bekannte kolumbianische Analyst Alberto Pinzón beschreibt das am 9. Juli so: „Die FARC und ihre Unterstützer haben gezeigt, dass sie im strategischen gleichseitigen Dreieck Zeit-Raum-Technologie weiterhin und so lange wie nötig Widerstand gegen die Offensive leisten können, bis der Machtblock und seine transnationale Ökonomie kollabieren – innerhalb eines unvorstellbaren und nihilistischen, Schrecken erregenden Szenarios nach dem Motto ‚Wenn es kein Vaterland für alle gibt, dann gibt es auch keines für irgendjemanden‘. Daher wurde die neuerliche Waffenruhe der FARC national und international begrüßt, während niemand den Militäraktionen von Santos applaudiert hatte.“