Panzerbauer KMW und Nexter gehen zusammen

Neuer Rüstungsriese entsteht

Von Martin Lindner

Die Fusion des deutschen Panzerbauers Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) mit seinem französischen Konkurrenten Nexter Systems ist besiegelt. Kürzlich unterzeichneten beide Unternehmen in Paris die Verträge. Die Eigentümerfamilie Bode für KMW und der französische Staat für Nexter haben den Vertrag unterzeichnet, und somit ist die Gründung einer Holding nach holländischem Recht, die von beiden Firmen sämtliche Anteile hält, offiziell.

Damit ist der Zusammenschluss aber noch nicht abgeschlossen: Das Bundeswirtschaftsministerium könnte ihn noch verhindern, wenn dadurch deutsche Sicherheitsinteressen gefährdet sind. Sollte das Wirtschaftsministerium keine Einwände erheben, wäre das die wohl spektakulärste Rüstungsfusion der letzten Jahre. Es ist allerdings nicht mehr davon auszugehen, dass vom Ministerium Einwände geltend gemacht werden. „Nach Unterzeichnung des Fusionsvertrages beabsichtigt die Bundesregierung, mit Frankreich eine bilaterale Vereinbarung zu strategischen rüstungspolitischen Fragestellungen abzuschließen“, heißt es laut Welt in einem Schreiben von Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machning (SPD).

Sowohl der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian als auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Markus Grübel (CDU), wohnten der Vertragsunterzeichnung bei. Le Drian sprach von einem sehr wichtigen Schritt, aus dem „ein führender europäischer Rüstungsanbieter“ hervorgehen solle. Das neue Unternehmen werde mit 6 000 Beschäftigten etwa zwei Milliarden Euro im Jahr umsetzen. Strikte Parität zwischen beiden Beteiligten sei vereinbart worden, sagte Le Drian. Europa müsse eine eigenständige und leistungsfähige Rüstungsindustrie haben, betonte Grübel.

Durch das Zusammengehen wollen beide Rüstungsschmieden ihre Position im globalen Wettbewerb bei sinkenden nationalen Verteidigungsbudgets verbessern. Die Fusion soll Doppelarbeit bei Forschung und Entwicklung vermeiden, Einkauf und Vermarktung bündeln, letztlich also die Kosten senken.

Die wohl spektakulärste

Rüstungsfusion der letzten Jahre

Im Vorfeld war der Verdacht geäußert worden, mit dem Zusammenschluss könnten die strengen deutschen Exportrichtlinien für Rüstungsgüter umgangen werden. Die Fusion dürfe „unter keinen Umständen dazu beitragen, dass über Umwege noch mehr deutsche Waffen in Länder gelangen, die die Menschenrechte mit Füßen treten“, sagte beispielsweise die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Sie forderte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, die Vereinigung zu verhindern. Auch Jan van Aken, von der Linksfraktion im Bundestag, äußerte sich ablehnend: Die Gefahr sei riesig, sagte er, dass noch mehr deutsche Panzer in alle Welt geliefert würden.

Die Bundesregierung entgegnete: „Die strengen deutschen Exportvorschriften gelten unvermindert weiter“, sagte der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, Tobias Dünow, in Berlin. Es sei nicht davon auszugehen, dass auch durch die aufflammende Diskussion über eine Harmonisierung der Vorschriften in Europa dazu führen werde, die restriktiven deutschen Vorgaben zu lockern.

Lange Zeit galt der Panzer „Leopard 2“, Hauptprodukt von KMW, als Auslaufmodell. Kein verbündeter Staat zeigte großartiges Interesse an ihm und für die deutschen Kriege, wie in Afghanistan, war er kaum zu gebrauchen. Nur der Nahe Osten versprach noch ein gutes Geschäft: Aber der geplante Deal mit dem autoritären Saudi-Arabien war in der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln. Mit dem Krieg in der Ukraine änderte sich aber alles: Nicht nur die Bundesregierung will ihre Panzerflotte aufrüsten, auch Polen will ihre modernisieren und Litauen bekommt deutsche Panzerhaubitzen. „Unser Wartezimmer füllt sich“, heißt es dann auch bei KMW in München. So hatte Grübel unlängst gesagt, mit der Entwicklung in der Ukraine rücke die Landesverteidigung in den Vordergrund. So kauft die Bundesregierung nicht nur 100 ausgemusterte Leopard-Panzer von KMW zurück, sondern lässt sie für voraussichtlich mehr als eine halbe Milliarde Euro aufrüsten.

Auch ein Nachfolgemodell ist in Planung: Die Bundesregierung hat nun den Panzerbau zur Schlüsseltechnologie erklärt, was eine staatliche Förderung für die Entwicklung ermöglicht. Branchenkenner rechnen laut Handelsblatt damit, dass zwischen 2030 und 2035 das neue Modell einsatzbereit sein dürfte. Nach der Fusion wird der neue „Leopard“ aber kein rein deutscher Panzer sein. Die Kosten für die neue Generation von Panzern könnten sich dann Frankreich und Deutschland mit anderen Ländern teilen. Das könnten Italien und Großbritannien sein, spekuliert das Handelsblatt.

Während das Geschäft mit Saudi-Arabien am Veto der Bundesregierung geplatzt ist, gibt es im Falle Katars weniger Bedenken. So hatte der Bundessicherheitsrat vor zweieinhalb Jahren dem Verkauf von 62 Leopard-Panzern und 24 Panzerhaubitzen an das Emirat genehmigt. Nun wolle Katar weitere drei Dutzend Panzer kaufen, heißt es laut Handelsblatt in Berlin. Die Entscheidung darüber steht allerdings noch aus.

Die Fusion bedeutet aber noch keine „Europäisierung“ der Rüstungsindustrie. Hinter den Kulissen werden Konflikte über Standorte, Budgets, Technologiekompetenz und politische Mitsprache erwartet. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, warnte schon vor einer französischen Übermacht in dem neuen Unternehmen. „Die Erfahrungen der Vergangenheit – wie mit Airbus – zeigen, dass die französische Politik ihre nationalen Interessen auch bei internationalen Gemeinschaftsunternehmen massiv durchsetzt“, sagte er nach Agenturmeldungen. So warnte auch der Militär­ökonom Markus C. Kerber kürzlich in der Welt vor der Fusion. Wo es bisher Kooperationen zwischen beiden Ländern im Rüstungssektor gegeben habe, hätte man schlechte Erfahrungen gemacht. „Die Franzosen sagen Europa und meinen Frankreich“, sagte er. Europäische Kooperation sei für sie nur eine rhetorische Finte, um nationale Belange rücksichtslos durchzusetzen.

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"Neuer Rüstungsriese entsteht", UZ vom 7. August 2015



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