Der Kommunistenprozess zu Köln selbst brandmarkt die Ohnmacht der Staatsmacht in ihrem Kampf gegen die gesellschaftliche Entwicklung. Der königlich-preußische Staatsanwalt begründete die Schuld der Angeklagten schließlich damit, dass sie die staatsgefährlichen Prinzipien des ‚Kommunistischen Manifestes‘ heimlich verbreiteten. Und werden trotzdem dieselben Prinzipien zwanzig Jahre später nicht in Deutschland auf offener Straße verkündet? Erschallen sie nicht selbst von der Tribüne des Reichstags? Haben sie in der Gestalt des Programms der Internationalen Arbeiterassoziation nicht die Reise um die Welt gemacht, allen Regierungssteckbriefen zum Trotz? Die Gesellschaft findet nun einmal nicht ihr Gleichgewicht, bis sie sich um die Sonne der Arbeit dreht.“
Mit diesen Worten schloss Karl Marx 1875 sein Nachwort zur zweiten Auflage der Schrift „Enthüllungen über den Kommunistenprozess zu Köln“ – ein treffendes Urteil über den ersten großen politischen Prozess in Deutschland, der sich gegen die kommunistische Bewegung richtete. Es sollten ihm viele folgen, doch markiert der Kölner Kommunistenprozess den Anfang. Mit seiner Vorgeschichte, den durch ihn verfolgten weiterreichenden politischen Zielen, seiner Ansammlung von plumpen Täuschungsversuchen, den Interventionen höchster staatlicher Stellen in die „Scheinfreiheit“ der Judikative und seinen politischen Nachwirkungen ist er dabei nicht nur der Beginn, sondern auch ein Vorbild für spätere Verfolgungswellen.
Doch von Anfang an: Nach dem Scheitern der „halben“ bürgerlichen Revolution von 1848 folgte die ganze Konterrevolution. Neben der schlichten Ermordung politischer Gegner griff die deutsche Reaktion auch zum Mittel des politischen Schauprozesses. Anvisiertes Ziel war dabei der „Bund der Kommunisten“ aus zweierlei Gründen.
Einerseits, weil man sich durchaus seiner tatsächlichen Rolle in der 1848er-Revolution bewusst war – als konsequent demokratische Kraft, deren Ziel es war, die bürgerlich-demokratischen Kräfte und die aufkommende Arbeiterbewegung zusammenzuführen unter einem „jakobinisch-demokratischen Aktionsprogramm“ (Wolfgang Abendroth) auf der Höhe seiner Zeit („Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ von 1848). Ein Schlag gegen den „Bund der Kommunisten“ war somit zunächst in der Hauptsache kein Schlag gegen eine unmittelbar der Reaktion drohende Gefahr durch die kommunistische Arbeiterbewegung – die war nach 1848 desorganisiert und zerstreut. Das wusste auch die Reaktion, wie Marx 1875 im Nachwort zur zweiten Auflage seiner „Enthüllungen“ schrieb. Der Schlag gegen den „Bund der Kommunisten“ war für das Ancien Régime im Wesentlichen vielmehr ein Schlag gegen die liberal-demokratische bürgerliche Opposition über die Bande. Ein Muster (Hauptschlag gegen die Kommunisten, im Folgenden gegen alle Demokraten), das sich in der Geschichte der Repression „bewährt“ hat – Stichworte: KPD-Verbot von 1933, KPD-Verbot von 1956, Berufsverbote.
Andererseits war der Prozess ein Angriff mit Blick in die Zukunft. Hier spielten jene Fraktionen des Bürgertums eine tragende Rolle, die bereits 1848 der bürgerlich-demokratischen Bewegung aus Furcht vor den „deutschen Sansculottes“ in den Rücken und der Junker-Reaktion in die Arme gefallen waren. Denn war die Arbeiterbewegung 1848 auch noch schwach und keine unmittelbare Gefahr, so war doch klar, woher in Zukunft der Wind wehen würde. Schließlich war es die – damals noch in den Kinderschuhen steckende – deutsche Arbeiterbewegung, welche die bürgerlich-demokratische Revolution von 1848 vorangetrieben hatte. Die „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ führten den reaktionär-bürgerlichen Kräften vor Augen, welche Konfliktlinien die Klassenkämpfe der Zukunft bestimmen würden. Der Juniaufstand 1848 in Frankreich, in dem das französische Proletariat im Bündnis mit dem Kleinbürgertum kämpfte, vervollständigte dieses Bild. Fortan, und darin liegt die objektive geschichtliche Zäsur des Kölner Kommunistenprozesses, richtete sich die Repression der Herrschenden in allererster Linie gegen die Arbeiterbewegung.
Zum Prozess und seinem Verlauf: Sich einer „historischen Verantwortung“ als Repräsentant des reaktionären Bündnisses aus Adel und Elementen des Bürgertums bewusst, schrieb Preußens König Friedrich Wilhelm IV. an seinen Ministerpräsidenten mit Blick auf den „Bund der Kommunisten“, das „Gewebe der Befreiungsverschwörung“ sei zu unterwandern und dem „preußischen Publikum“ das „ersehnte Schauspiel eines aufgedeckten und (…) bestraften Komplotts“ zu bereiten. Als der preußischen Polizei durch Zufall im Mai 1851 der Schneider Peter Nothjung in die Hände fiel, sah die Reaktion ihre Stunde gekommen: Der ohne Papiere aufgegriffene Handwerker trug Material des „Bundes der Kommunisten“ bei sich. Dieser Zufallstreffer war Anlass weitreichender Ermittlungen im ganzen Deutschen Bund und auch im Ausland in den Exilgemeinden. „Ermittlungen“, das hieß hier vor allem das Zusammentragen von Gerüchten, Fälschungen und Falschaussagen über eine angebliche „Geheimverschwörung“, welche die Revolution von 1848 quasi am Reißbrett geplant und losgetreten habe. Die Aussagekraft der von der Polizei gesammelten „Beweise“ war allerdings so dürftig, dass es von Ende Mai 1851 bis Oktober 1852 dauerte, ehe der Prozess begann. Hier dürfte entsprechender Druck von oben eine größere Rolle gespielt haben als juristische Erwägungen. Auf der Anklagebank saßen zwölf führende Vertreter der Kölner Zen-tralbehörde des Bundes (und damit die maßgeblichen Führer des Bundes in ganz Deutschland) sowie fortschrittliche Demokraten, die in seinem Auftrag wirkten.
Unter reger Teilnahme der Öffentlichkeit zog sich das Verfahren statt über die geplanten zwei Wochen schließlich sechs Wochen hin. Während seines Verlaufs blamierte sich die Reaktion fortlaufend selbst: Ein „Beweisstück“ nach dem anderen entpuppte sich – teils durch die Angeklagten selbst aufgedeckt – als plumpe Fälschung, eine „Aussage“ nach der anderen als Lüge. Marx und Engels begleiteten diese Farce von einem Prozess aus dem Ausland publizistisch, deckten eine Intrige nach der anderen auf und versorgten die Verteidigung mit Informationen. Den Höhepunkt ihrer journalistischen Aufklärungsarbeit bildete die Schrift „Enthüllungen über den Kommunistenprozess zu Köln“ von 1853.
Das Ass im Ärmel der Ankläger war das sogenannte „Protokollbuch“ des „Bundes der Kommunisten“, der „Partei Marx“, wie es seitens der Anklage hieß. Es belastete die Angeklagten schwer. Nur: Dieses „Protokollbuch“ war eine weitere Fälschung. Marx gelang der Nachweis dessen aus London, wo er sogar das Geständnis des Fälschers vor einem Londoner Gericht besorgte und den Verteidigern in Köln zukommen ließ.
Der Kölner Prozess endete teils mit Freisprüchen. Hermann Becker, Heinrich Bürgers, Friedrich Lessner, Peter Nothjung, Carl Otto, Joseph Reiff und Peter G. Röser wurden zu Freiheitsstrafen von bis zu sechs Jahren verurteilt. Roland Daniels, der freigesprochen worden war, starb infolge der anderthalb Jahre Untersuchungshaft. Die Reaktion zog ihre eigenen Konsequenzen aus den für sie viel zu milden Urteilen. Sie entzog den Geschworenengerichten die Zuständigkeit für politische Prozesse. Stattdessen wurde etwa am Berliner Kammergericht ein „Staatsgerichtshof“ eingerichtet.