Mehr als ein Drittel der abhängig Beschäftigten in Deutschland arbeiten mobil. Das, was als Verheißung auf mehr selbstbestimmtes Arbeiten der Kolleginnen und Kollegen in einer neuen bunten Arbeitswelt daherkommt, erweist sich jedoch häufig als Eingriff in deren elementaren Arbeitsschutzrechte und Arbeitszeiten.
Exemplarisch hierfür stehen die jüngsten Ereignisse im nordrhein-westfälischen Landtag. Dort hat sich ein fraktionsübergreifender Antrag mit dem Titel „Chancen der digitalen Arbeitswelt nutzen“ als ein massiver Angriff auf das Arbeitszeitgesetz entpuppt. In dem gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, FDP und Grünen wurde eine Prüfung des Arbeitszeitgesetzes eingefordert, da dieses im Zeitalter von Home-Office und der ständigen Erreichbarkeit zu statisch und nicht kompatibel mit den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt sei. Aus Sicht der Antragsteller ist hier die EU-Arbeitszeitrichtlinie mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden geeigneter.
Weiter wird im Antrag empfohlen, „gemeinsam mit den Sozialpartnern im Rahmen von Experimentierräumen arbeitszeitpolitische Neuerungen zu erproben“. So viel zu den Vorstellungen der etablierten Politik zwischen Rhein und Ruhr zum mobilen Arbeiten. Der DGB hat zu diesem Themenkomplex stattdessen die eigentlichen Expertinnen und Experten befragt, nämlich die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Verwaltungen. Im aktuellen Report des DGB-Index „Gute Arbeit“ wurden die Verbreitung der verschiedenen mobilen Arbeitsformen sowie die vorherrschenden Arbeitsbedingungen von Beschäftigten mit mobiler Arbeit in den Mittelpunkt gestellt. Die Auswertung zeigt über alle Unterschiede bei den verschiedenen Formen des mobilen Arbeitens hinweg ein ambivalentes Ergebnis. Einerseits verfügen Beschäftigte, die mobil arbeiten, über größere Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Ausführung ihrer Arbeit. Andererseits weisen sie höhere Belastungen unter anderem durch erweiterte Erreichbarkeit, überlange Arbeitszeiten und verkürzte Ruhezeiten auf.
So sind überlange Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden pro Woche bei mobil arbeitenden Beschäftigten zwei- bis dreimal so häufig wie bei denen, die nicht mobil arbeiten. Ein Viertel der Beschäftigten, die von zu Hause aus arbeiten, gibt an, dass die erbrachte Arbeit gar nicht oder nur teilweise als Arbeitszeit angerechnet wird. Zwei Drittel der Beschäftigten, die nicht im Home-Office arbeiten, möchten dies auch gar nicht. Neben der Begründung, dass die Tätigkeit nicht für die Arbeit im Home-Office geeignet ist, sind hier vor allem der Wunsch nach Trennung von Arbeit und Privatleben sowie nach persönlichen Kontakten zu Kolleginnen und Kollegen ausschlaggebend.
Aber auch denjenigen, die auf mehr Arbeitszeit- und Arbeitsortsouveränität hoffen, droht spätestens mit den Verwässerungen des aktuellen Gesetzentwurfs zur Regelung von mobiler Arbeit durch das Kanzleramt ein böses Erwachen. Zum einen wird der Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten aufgeweicht. Anstelle des geplanten gesetzlichen Anspruchs soll nun eine Erörterungspflicht treten. Zum anderen wurden die im ursprünglichen Gesetzentwurf geplanten Mitbestimmungsrechte für mobile Arbeit abgeräumt.
Betriebsräte brauchen aber dringend bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Einführung und Ausgestaltung von mobiler Arbeit und Home-Office. Hier geht es nicht nur um die Verbesserung technischer Ausstattung, sondern auch darum, zu gewährleisten, dass Home-Office wirklich freiwillig bleibt. Denn eins ist sicher: Ohne weitreichende Mitbestimmungsrechte wird sich die konkrete Ausgestaltung von mobiler Arbeit nicht an den Interessen der Beschäftigten, sondern ausschließlich an deren ökonomischer Verwertbarkeit orientieren.