Renten, Leiharbeit und Werkverträge im Fadenkreuz von Kapital und Politik.

Neue Scharmützel im Klassenkampf

Von Uwe Koopmann

Die Junge Union (JU) zündelt bei den Renten. Sie hat erst vor wenigen Tagen erneut einen alten Hut aus der Mottenkiste geholt: Statt die Mindestlöhne und damit die Beiträge zu den Renten zu erhöhen, sollten die Menschen, wenn sie denn Arbeit haben, automatisch und kontinuierlich länger arbeiten. Unterstützung bekam Paul Ziemiak, der Chef der JU, von Hubertus Porschen, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes Junger Unternehmer, und von Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Philipp Mißfelder, einer der Vorgänger von Ziemiak, hatte schon vor zwei Jahren eine weitere Anhebung in das Renteneintrittsalter gefordert. Selbst die Senioren-Union mochte nicht Beifall klatschen. Mißfelders damalige Forderung, Älteren keine neuen Hüftgelenke einzusetzen, wurde von den Jungunionisten jetzt allerdings nicht erneut erhoben.

Ähnlich wie im Zusammenhang mit den Forderungen zur Zerschlagung der Generationensolidarität hatte es kürzlich Angriffe auf den Mindestlohn gegeben. Den sollten Asylbewerber und Flüchtlinge nach Auffassung der CDU nicht bekommen – wenigstens für die ersten sechs Monate nicht. Dagegen wurde aber die Minderbezahlung für Praktikanten aus der Gruppe der Asylberechtigten auf mindestens sechs Monate verlängert. Die FAZ schrieb – ausgerechnet am 1. April – über eine Forderung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dass „alle bestehenden rechtlichen Hürden rasch abgebaut werden.“ Gleichzeitig prognostizierte die BDA: „Eine reibungslose und schnelle Eingliederung in Arbeit ist nur bei wenigen Flüchtlingen zu erwarten.“ Ein Beschäftigungsverbot in der Zeitarbeit müsse vollständig abgeschafft werden.

Die CSU hebelt ihrerseits selbst den Koalitionsvertrag aus, nach dem Leiharbeit zwar nicht verboten, aber graduell besser bezahlen werden soll. Lohngleichheit ist nun gestrichen. Statt dessen ist Lohndumping angesagt. Streikbrecher werden gesucht. Der DGB erinnert an die Versprechungen von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag: „Den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit werden wir verhindern.“ Und er verweist auf das, was nun zu erwarten ist: „NICHTS“.

Diese Angriffe verlangen Gegenwehr. Wie das geht, zeigen erneut die machtvollen Demonstrationen in Frankreich. Hunderttausend gingen in Paris gegen Staatspräsident François Hollande von der Parti Socialiste (PS) auf die Straßen, um das neue Arbeitsgesetz der Regierung zu stoppen. Im ganzen Land waren es eine halbe Million. Weitere Proteste sollen folgen. Für das neue Gesetz gibt es bei den Franzosen keine Mehrheit. Keine Mehrheit für unternehmerorientierte Erleichterungen von Kündigungen. Hollande wird auf der Beliebtheitsskala nach unten durchgereicht. Er befindet sich auf einer ähnlichen Rutschbahn wie sein sozialdemokratischer Bruder Sigmar Gabriel.

Diese Angriffe verlangen Gegenwehr. Und die Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst begannen deshalb in dieser Woche mit Warnstreiks in mehreren Bundesländern um ihre tariflichen Forderungen durchzusetzen.

„Wir lassen uns nicht spalten!“ lautet auch die Forderung des DGB bei der Kundgebung gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen am Samstag, 9. April, 11.00 Uhr, auf dem Odeonsplatz in München. In dem Aufruf heißt es: „Der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen nimmt immer mehr zu, in allen Branchen, ob Automobilhersteller, Schlachthöfe, am Bau, im Einzelhandel und in Krankenhäusern, in Schulen und Verkehrsbetrieben.“

Auch die DKP fordert, dass kein Beschäftigter schlechter als die Kolleginnen und Kollegen aus der Stammbelegschaft bezahlt werden dürfen und vor allem ist Solidarität und Gegenwehr gegen alle Versuche nötig, Kolleginnen und Kollegen, hier Geborene wie hierher Geflüchtete gegeneinander auszuspielen.

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"Neue Scharmützel im Klassenkampf", UZ vom 8. April 2016



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