Billionenschwere „Bankenrettung“ hat die Lage kaum stabilisiert

Neue alte Finanzkrise

Die US-Bankenkrise hat Europa erreicht. Die alte, allerdings wenig ehrwürdige Credit Suisse (CS), gegründet 1856 als Schweizerische Kreditanstalt, seit 1997 dann anglisiert „Credit ­Suisse Group“, droht umzufallen, wenn sie nicht als „systemrelevant“ gerettet wird.

Die CS verfügte 2019 noch über eine Bilanzsumme von 787,2 Milliarden Schweizer Franken. Der Kurswert der Bankaktie hatte sich allerdings in der Krise seit 2008 von 54,21 Euro im Jahr 2007 auf rund 20 Euro mehr als halbiert und ist jetzt auf magere 2,04 Euro gefallen (Stand 17. März). Die CS-Papiere sind von der Einstufung als Junk-Bond, auch Schrottanleihe genannt, nicht weit entfernt.

Seit in den USA die Silicon Valley Bank, die Silvergate Corporation und die Signature Bank innerhalb einer Woche umgefallen sind und nun auch die First Republik Bank in Schieflage geraten ist, mehren sich die Anzeichen, dass die nächste große Finanzkrise, die 2019 nur durch Tonnen frisch gedruckten Zentralbankgeldes aufgeschoben wurde, nun mit Macht ausbrechen könnte. Seit 2019 sind rund 9 Billionen Dollar in den „US-Markt“ gepresst worden. Die Rating-Agentur Moody’s hat den Ausblick des gesamten US-Bankensektors mit „negativ“ bewertet. Die Schweizer Nationalbank hat angekündigt, die CS mit satten 50 Milliarden Schweizer Franken retten zu wollen.

Das neoliberal zugerichtete Finanz- und Bankensystems des Westens und vor allem das der USA ist Anfang des Jahrhunderts in eine tiefe Strukturkrise geraten. Die ausschließliche Orientierung auf den Profit der Superreichen hat bislang drei große Krisenausbrüche produziert. Die Dotcom-Krise 2000, die Finanzkrise 2008 ff. und die aktuelle Krise 2019/2023. Diese Krisen sind nicht einfach eine Wiederholung der jeweils vorangegangenen Krise, sondern sie erreichen ein deutlich höheres Niveau, da die Blase, das Krisenniveau oder die durch die Zentralbank-„Rettung“ erzeugte Disproportion bei jedem Mal massiv größer wird.

Zwischen beiden Krisen 2008 ff. und 2023 ff. liegen 13 Jahre Quantitative Easing (QE), Nullzins-Politik und eine beispiellose Geld- und Verschuldungsexplosion. Diese gigantische Reichenmast hatte die Aktienkurse und somit die spekulativen Vermögen des Finanzkapitals in astronomische Höhen getrieben – zu Lasten des ausgeweideten und exportierten Industriekapitals. Im vergangenen Jahr beendete dann allerdings die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) und im Gefolge auch die EZB die Party und begann die Zinsen auf Normalniveau zu schleusen. Die reale Inflation hatte die 10-Prozent-Marke locker überschritten. Die selbst gestellte Aufgabe von Fed-Chef Jerome Powell besteht nun darin, einen Anstieg der Löhne und Gehälter auf ein ähnliches Niveau zu verhindern.

Eine ähnliche Aufgabenstellung hatte sich schon der damalige Fed-Chef Paul Volcker gestellt, als er 1980 die Zinsen auf bis zu 20 Prozent anhob. Allerdings lag die Verschuldungsrate der USA vor dem Volcker-Schock bei 31,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Heute liegt dieser Wert bei 125 Prozent/BIP (31,6 Billionen USD).

Eine signifikante Veränderung der Zinshöhe hat nun gravierende ökonomische Folgen. Der Zinssatz für eine 30-jährige US-Hypothek betrug in November 2022 satte 6,95 Prozent. Sollten die US-Kredite nur auf diesem Niveau angelangt sein, so bedeutete das für die gesamte US-Gesellschaft eine Zinslast von 6,57 Billionen US-Dollar oder rund 30 Prozent der gesamten US-Wirtschaftskraft. Das dürfte kaum darstellbar sein. Das neoliberale Finanzsystem ist von seinen Protagonisten in eine Sackgasse manövriert worden, in der nur die Wahl zwischen Pest und Cholera bleibt.

In der Krise 2008 ff. gab es, von den Bush-Kriegern gedeckt, Betrug im ganz großen Stil. Da waren die Subprime- oder NINJA-Kredite („No Income, No Job, No Assets“), die mehrfachen Umverpackungen des Kreditschrotts, die Triple-A-Ratings, das Verhökern des ganzen Mülls und so weiter. Die aktuelle Krise zeigt: Es geht auch ohne. Die aktuellen Schieflagen sind weniger eine Folge krimineller Machenschaften, sondern vielmehr Ergebnis der gigantischen Wertpapier- und Schuldeninflation, die seit mehr als einem Jahrzehnt von den großen Zentralbanken betrieben wurde und die nun eine Rückkehr zur „Normalität“ verhindert.

Das Grundproblem des neoliberal entgrenzten Finanzkapitalismus besteht darin, dass die Wachstumskurve der Realwirtschaft in gar keiner Weise mit dem rapiden Wachstum der Finanzwirtschaft, der Verschuldung wie der Bereicherung, mithalten kann. Der periodisch auftretende Crash ist gewissermaßen programmiert. Diesmal fällt er allerdings zusammen mit den Kriegen des US-Imperiums für den Erhalt seiner globalen Vorherrschaft und seines Währungsprivilegs. Der Westen wollte Russland ruinieren, jetzt fallen hier die Banken um. Was wird passieren, wenn man sich mit China anlegt? Das Moody’s Rating ist so unbegründet nicht.

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"Neue alte Finanzkrise", UZ vom 24. März 2023



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